Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (24.8.2023 – 2 AZR 17/23 PM 23/33) unter anderem mit der Frage befasst, ob eine WhatsApp-Gruppe einen geschützten privaten Raum darstellt, in dem Vertraulichkeit gilt und in dem Beleidigungen oder Beschimpfungen ohne arbeitsrechtliche Folgen ausgetauscht werden können.
Der Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde:
Die Mitglieder einer privaten WhatsApp-Gruppe aus Arbeitskollegen der Fluggesellschaft TUIfly waren seit vielen Jahren befreundet, zwei von ihnen waren Brüder. Die Gruppe bestand zunächst aus sechs, später aus sieben Personen. In dem Chat tauschten sich die Kollegen über private und dienstliche Belange aus. Es wurden aber auch Vorgesetzte und Kollegen massiv sexistisch und rassistisch beleidigt. Auch Aufrufe zur Gewalt blieben nicht aus. Unter anderem fanden sich in dem Chat Äußerungen folgender Art:
„Der Pole ist der Schlimmste …“
„ja, die Moslems sind dem gemeinen Juden recht ähnlich was Geschäfte angeht, allerding 7 Klassen tiefer, Ziegen, Kiosk und gebrauchte statt Banken, Medien und Firmen“
„G. auch zusammenschlagen lassen!!! Wie besprochen.“
„K. muss man in die Fresse hauen, so was unqualifiziertes (…) der ist doof wie 10 Meter Feldweg im Osten“
Der Inhalt der Chats wurde bekannt, als einer der Beteiligten im Rahmen eines Streits einem anderen Kollegen den Chatverlauf zeigte. Dieser war über den Inhalt so entsetzt, dass er sofort den Arbeitgeber informierte. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber mehreren Mitgliedern der Chatgruppe fristlos. Drei von ihnen klagten gegen die Kündigung.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben den Kündigungsschutzklagen statt und stellten fest, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Zwar seien die Äußerungen an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, hier jedoch nicht aufgrund der Umstände. Sie seien Teil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Teilnehmern der Chatgruppe und genössen als solche verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der von den Äußerungen Betroffenen vorgehe.
Das Bundesarbeitsgericht sah dies jedoch anders. Das Gericht stellte fest, dass der besondere persönlichkeitsrechtliche Schutz einer vertraulichen Kommunikation vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie von der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe abhänge. Enthielten die Nachrichten beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum die Gruppenmitglieder darauf vertrauen durften, dass die Inhalte von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben würden.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat den Klägern nun Gelegenheit zu geben darzulegen, warum sie angesichts der Größe der Chatgruppe, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Verbreitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durften.
Die Entscheidung zeigt, dass es auch für Äußerungen in privaten Chatgruppen Grenzen gibt und Arbeitgeber nicht alles hinnehmen müssen, was vermeintlich „privat“ gesagt oder geschrieben wird. Wird der Inhalt bekannt, spricht vieles dafür, dass der Arbeitnehmer auch nicht auf die Vertraulichkeit vertrauen durfte. Anders wäre dies wohl zu beurteilen, wenn sich der Arbeitgeber unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Gruppe eingeschlichen hätte oder wenn die Äußerung in einem Gespräch von Arbeitskollegen unter vier Augen gefallen wären. Die Entscheidung ist auch ein Beispiel dafür, dass manche Missstände erst durch interne Hinweisgeber aufgedeckt werden.
Zu beiden Aspekten dieser Entscheidung – den Grenzen der Meinungsäußerung im Arbeitsverhältnis und dem Umgang mit internen Hinweisen – bieten wir aktuell jeweils eine Veranstaltung an. Zum Thema Umgang mit Hinweisen unser Workshop Meldestelle und zum Thema der Grenzen des Äußerungsrechts im Arbeitsverhältnis unseren Coffee@EMPLAWYERS.