Was passiert mit bereits erworbenem Urlaub, wenn Arbeitnehmer von Vollzeit in Teilzeit wechseln? Bisher war das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Auffassung, der Urlaubsanspruch wäre anteilig zu kürzen. Allerdings hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2013 entschieden, dass sich die Anzahl der Urlaubstage bei Übergang in eine Teilzeitbeschäftigung nicht verringern dürfe. Der EuGH hatte in einer derartigen Kürzung eine Diskriminierung gesehen. Das BAG hat die Rechtsauffassung des EuGH nun in seiner aktuellen Rechtsprechung (10. Februar 2015 – Az. 9 AZR 53/14) umgesetzt.
Der Kläger hatte in Vollzeit einen tarifvertraglichen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen auf Basis einer 5 Tage Woche. Er wechselte unterjährig in Teilzeit und arbeitete nur noch an vier Tagen in der Woche. Der Arbeitgeber war der Auffassung, der während der Vollzeit erworbene Urlaubsanspruch sei verhältnismäßig auf eine 4-Tage-Woche zu kürzen, also stünden dem Mitarbeiter nur 24 Urlaubstage zu (30 Urlaubstage geteilt durch fünf mal vier). Der klagende Arbeitnehmer hat die Ansicht vertreten, eine verhältnismäßige Kürzung seines Urlaubsanspruchs sei nicht zulässig.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer in letzter Instanz Recht und entschied, dass ein bereits erworbener Urlaubsanspruch bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit nicht verhältnismäßig gekürzt werden dürfe. Die Überlegung, die das BAG bisher angestellt hatte, der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer solchen Kürzung nicht vermindert, weil er – in Urlaubswochen ausgedrückt – unverändert bleibe, hatte der EuGH unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH konnte das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht festhalten, nach der die Urlaubstage grundsätzlich umzurechnen waren, wenn sich die Anzahl der mit Arbeitspflicht belegten Tage verringerte. Grundsätzlich soll sich der Wechsel in die Teilzeitbeschäftigung nicht nachteilig auswirken, so das Bundesarbeitsgericht.
Arbeitgeber können in solchen Fällen gegebenenfalls darauf drängen, dass der Mitarbeiter bereits erworbenen Urlaub vor seinem Wechsel nimmt. Hinsichtlich des über den gesetzlichen oder tarifvertraglichen Anspruch hinausgehenden vertraglich gewährten Urlaubs, sind auch abweichende Vertragsgestaltungen denkbar.
Die Entscheidung des BAG wirft allerdings auch eine Reihe von Fragen auf: Wie sieht es im umgekehrten Fall aus? Also bei einem Wechsel von Teilzeit in Vollzeit? Was passiert beispielsweise beim Wechsel in die Teilzeit, wenn nur die Stundenzahl reduziert wird, die Zahl der Arbeitstage aber gleich bleibt? Wann entsteht eigentlich der Urlaubsanspruch, bereits am Beginn des Kalenderjahres voll oder nur pro rata temporis? Das Urlaubsrecht verspricht also weiterhin spannend zu bleiben.