Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 5.12.2024 eine wegweisende Entscheidung zur Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten getroffen. Es erklärte eine tarifvertragliche Regelung, die Überstundenzuschläge ausschließlich für Arbeitsstunden vorsieht, die über die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen, für unzulässig.
Grundsätzlich sind Zuschläge für Überstunden nur dort zu bezahlen, wo es eine entsprechende vertragliche oder tarifvertragliche Verpflichtung dazu gibt. Im zugrunde liegenden Fall, zu dem bisher nur eine Pressemitteilung des Gerichts vorliegt, ging es um einen Überstundenzuschlag aus einem Tarifvertrag. Die Klägerin war als Pflegekraft in Teilzeit tätig. Sie forderte, dass Überstundenzuschläge bereits dann zu zahlen seien, wenn sie ihre individuelle Arbeitszeit überschreitet – unabhängig von der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Nach der tarifvertraglichen Regelung war der Überstundenzuschlag erst dann zu gewähren, wenn die übliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten wurde. Zudem verlangte die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer mittelbaren Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
Das BAG stützte seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte festgestellt, dass eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten mittelbar diskriminierend sein kann, wenn überwiegend Frauen von der Regelung betroffen sind.
Die Entscheidung im Überblick:
• Das BAG erklärte die tarifliche Regelung für unwirksam, da kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vorlag.
• Teilzeitbeschäftigte haben danach Anspruch auf Zuschläge, sobald ihre individuelle Arbeitszeit überschritten wird. Eine Kopplung an die Arbeitszeit von Vollzeitkräften dürfte regelmäßig unzulässig sein.
• Die Pflegekraft erhielt zudem eine Entschädigung wegen Diskriminierung, da mehr als 90 % der Teilzeitkräfte in dem Unternehmen Frauen sind und sie mittelbar benachteiligt wurde.
Auswirkungen für Unternehmen:
Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass Tarifvertragsklauseln die Überstundenzuschläge an die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten knüpfen, sehr kritisch gesehen werden müssen. Ganz ähnlich dürfte die Rechtslage bei entsprechenden Zuschlagsregelungen in Betriebsvereinbarungen oder sonstigen betrieblichen Vergütungssystemen zu beurteilen sein. Will der Arbeitgeber unerwartete Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte in solchen Fällen vermeiden, geht dies evtl. nur über eine vertragliche Anpassung der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder eben die Vermeidung von Überstunden.
Neben der (Nach)Zahlung von Überstundenzuschlägen dürfte sich auch das sozialversicherungsrechtliche Problem des sog. Phantomlohns stellen. Hatte der Arbeitnehmer eigentlich einen Anspruch auf Überstundenzuschläge und wurden diese fälschlicher Weise nicht bezahlt, fallen trotzdem Sozialversicherungsbeiträge an, da die Beitragspflicht an den Vergütungsanspruch und nicht die tatsächliche Zahlung anknüpft. Die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann bekanntlich zu empfindlichen Konsequenzen beim Arbeitgeber führen.
Da insbesondere Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, können solche Regelungen zudem schnell eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung darstellen.
Fazit:
Das Urteil des BAG betont die Rechte von Teilzeitbeschäftigten und die Verpflichtung der Arbeitgeber, diskriminierungsfreie Regelungen umzusetzen. Unternehmen sollten die Entscheidung zum Anlass nehmen, ihre tariflichen, betrieblichen und vertraglichen Regelungen zu überprüfen und ggf. Lösungen suchen, um unerwartete Zuschläge zu vermeiden und tatsächlich bestehende Ansprüche zu erkennen und zu erfüllen.