Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut zum deutschen Urlaubsrecht geäußert. Es ging um Fragen des Verfalls bzw. der Verjährung von Urlaubsansprüchen. Seine Antworten fielen erneut zu Gunsten der Arbeitnehmer aus. Zwar hat der EuGH grundsätzlich einen Verfall bzw. die Verjährung von Urlaubsansprüchen gebilligt, aber nur, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet hat.
Bereits im März 2018 hatte der EuGH darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Mindesturlaub nur dann zum Ende des Jahres bzw. des Übertragungszeitraums verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist. Diese Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers bestehen insbesondere darin
• jeden einzelnen Arbeitnehmer rechtzeitig über den Bestand von restlichen Urlaubsansprüchen zu informieren,
• zur Inanspruchnahme aufzufordern und
• über einen sonst drohenden Verfall aufzuklären.
In seinen aktuellen Entscheidungen (Az. C-120/21; C-518/20; C-727/20) hat er nun bekräftigt, dass dies auch dann gilt, wenn der Arbeitnehmer erst im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt und bis dahin zu mindestens teilweise Urlaub hätte nehmen können. Auch hier tritt ein Verfall des Urlaubsanspruchs für dieses Urlaubsjahr nur dann ein, wenn der Arbeitgeber zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet habe.
Außerdem gilt nach der Entscheidung des EuGH Entsprechendes für die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Insoweit stellte der EuGH fest, dass sich der Arbeitgeber nicht erfolgreich auf eine Verjährung von Urlaubsansprüchen (nach deutschem Recht regelmäßig nach 3 Jahren) berufen könne, wenn er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.
Der EuGH stärkte also wieder einmal die Rechte von Beschäftigten im Zusammenhang mit den Urlaubsansprüchen. Potenziell drohen hier Nachforderungen von Arbeitnehmern bis weit in die Vergangenheit zurück. Arbeitgeber müssten für einen erfolgreichen Einwand der Verjährung des Urlaubs darlegen können, dass sie den Mitarbeiter hinreichend über seine Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall informiert haben. Dies wird gerade bei Altfällen aus der Zeit, in der diese „Erfindung“ des EuGH noch gar nicht absehbar war nicht gelingen. Für die Vergangenheit lässt sich ein solches Versäumnis daher auch nicht korrigieren.
Für die Zukunft aber sollten Arbeitgeber – wenn Sie ein unbegrenztes Ansammeln alter Urlaubsansprüche vermeiden möchten – in jedem Fall ohne Ausnahme allen Mitarbeitern die oben beschriebenen Hinweise geben und dies dokumentieren. Das bedeutet auch, dass man künftig langfristig erkrankte Mitarbeiter über die ihnen noch zustehenden Urlaubsansprüche und deren drohenden Verfall informieren müsste, auch wenn diese Mitarbeiter bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit keine Möglichkeit haben, die Urlaubsansprüche zu realisieren. Den Nachweis, dass sie die Mitwirkungspflichten erfüllt haben, müssten Arbeitgeber (endlos?) aufbewahren.