Das ArbG Aachen hatte sich jüngst mit der Frage zu beschäftigen, wer im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kosten für ein geleastes Dienstrad zu tragen hat, wenn der Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig erkrankt.
1. Zum Sachverhalt
Die Arbeitgeberin hatte auf Wunsch des Arbeitnehmers zwei Fahrräder im Rahmen des Dienstrad-Modells geleast und diese dem Arbeitnehmer zur Nutzung überlassen. Die monatlichen Leasingraten hat die Arbeitgeberin wie bei derartigen Konstellationen üblich im Rahmen der Entgeltumwandlung von dem Bruttogehalt des Arbeitnehmers einbehalten. Der Arbeitnehmer erkrankte und blieb auch über das Ende des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums arbeitsunfähig. Die beiden Räder behielt er auch während seiner Arbeitsunfähigkeit in seinem Besitz. Mangels Entgeltzahlung für die Dauer des Krankengeldbezuges konnte die Arbeitgeberin die Kosten für die Leasingraten nicht von dem Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers einbehalten und der Arbeitnehmer war auch nicht bereit, diese Kosten freiwillig zu erstatten. Nach Genesung des Arbeitnehmers zog die Arbeitgeberin die in der Zwischenzeit aufgelaufenen Leasingraten von der nächsten Lohnabrechnung ab.
Der Arbeitnehmer verlangte Rückerstattung des einbehaltenen Betrages. Er war der Auffassung, dass die entsprechende vertragliche Regelung unwirksam sei und ihn unangemessen benachteilige.
2. Die Entscheidung
Das ArbG Aachen (Entscheidung vom 02.09.2023 – 8 Ca 2199/22) hat entschieden, dass die Arbeitgeberin die Leasingraten zurecht einbehalten hat. Für die Dauer des Krankengeldbezuges habe der Arbeitnehmer die Kosten für ein geleastes Dienstrad, welches im Wege der Entgeltumwandlung finanziert wird, selbst zu tragen.
Zur Begründung verweist das ArbG Aachen darauf, dass der Abschluss des entsprechenden Leasingvertrages auf die Initiative des Arbeitnehmers zurückgehe, der das Rad auch während einer längeren Arbeitsunfähigkeit weiter in Besitz habe und nutzen könne. Damit bleibe auch die Verpflichtung zur Gegenleistung an den Arbeitgeber – nämlich zur Zahlung der Leasingrate – bestehen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Zahlung in Zeiten, für die der Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt bezieht nicht unmittelbar im Wege der Entgeltumwandlung erfolgen kann.
3. Zur Einordnung
Auch wenn das Thema mit dieser erstinstanzlichen Entscheidung sicher nicht abschließend geklärt ist – die Entscheidung überzeugt im Ergebnis und mit der Begründung: Auch wenn viele Arbeitgeber – getrieben durch die steuerliche Subventionierung – das Dienstrad Modell als Werbeinstrument für sich nutzen ist es der Arbeitnehmer, der ein konkretes Modell für sich auswählt und auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung den Arbeitgeber beauftragt, dieses Rad für ihn zu leasen und sich gleichzeitig verpflichtet, für die Leasingraten – ganz oder teilweise mit arbeitgeberseitigen Zuschüssen – im Wege der Entgeltumwandlung aufzukommen. Der Arbeitgeber wird nur als notwendiger Vermittler zwischengeschaltet, da das Dienstrad als Steuersparmodell nur auf diese Weise funktioniert. Ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse daran, dass dem Arbeitnehmer ein (oder gar mehrere) Diensträder zur Verfügung stehen hat der Arbeitgeber nicht. Dementsprechend ist es nur folgerichtig, dass der Arbeitnehmer für die gesamten von ihm zutragenden Kosten auch dann aufkommt, wenn er etwa wegen langwieriger Erkrankung – aber auch aus anderen Gründen (man denke etwa an unbezahlten Sonderurlaub, Sabbatical oder Ähnliches) – keinen Entgeltanspruch erwirtschaftet.
In jedem Fall bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten: das ArbG Oldenburg (13.11.2019, Az.: 3 Ca 229/19) hatte im Jahr 2019 in einem ganz ähnlichen Fall entschieden, dass die entsprechende Regelung im Vertrag intransparent und daher unwirksam sei, da die Mitarbeiterin trotz ausdrücklicher Formulierung (!) nicht habe erkennen können, dass sie bei längerer Erkrankung die Kosten für das Rad habe selbst tragen müsse. Außerdem sei die Regelung unangemessen benachteiligend, weil der Arbeitgeber so sein Unternehmerrisiko (!) auf die Arbeitnehmerin abwälze. Der Arbeitgeber blieb so auf den Kosten sitzen. Es gibt gute Argumente dafür, dass das ArbG Oldenburg mit seiner Einschätzung falsch gelegen hat – dennoch ist aktuell nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickelt.
Arbeitgeber könnten diese Entscheidung des ArbG Aachen – so erfreulich sie im konkreten Fall auch ausgefallen ist – daher zum Anlass nehmen, gegebenenfalls bestehende Dienstrad Modelle nochmals kritisch auf ihre „Krisenfestigkeit“ zu überprüfen. Ganz häufig nehmen Arbeitgeber ihre Rolle als Mittler im Dienstrad Modell gar nicht als potenziell risikobehaftet wahr. Bestenfalls wird darüber nachgedacht, in wieweit das Dienstrad Leasing arbeitgeberseits bezuschusst wird und dass für etwaige Schadensfälle eine (Kasko) Versicherung vorgehalten werden sollte. Beides ist wichtig, aber keineswegs vollständig. Und die einschlägigen Anbieter bewerben ihre Modelle regelmäßig als völlig risikofrei für die Arbeitgeber und verschleiern geschickt, dass eine Abwälzung der Kosten auf die Arbeitnehmer im Störfall oftmals rechtlich oder tatsächlich scheitern wird.
Mit Blick auf die Unwägbarkeiten von Arbeitsverhältnissen drängt sich die Frage auf, was mit dem Dienstrad zu geschehen hat, wenn das Arbeitsverhältnis – aus welchen Gründen auch immer – während der Laufzeit des Dienstrad-Leasings endet. Die einschlägigen Anbieter beruhigen die Arbeitgeber insoweit regelmäßig mit dem Hinweis, dass in solchen Fällen der Arbeitnehmer verpflichtet sei, in den Leasingvertrag einzutreten oder das Dienstrad aus dem Vertrag herauszukaufen, so dass den Arbeitgeber kein wirtschaftliches Risiko treffe. Die Realität sieht oft anders aus: Teils ist schon die Wirksamkeit der ja meist von den großen Anbietern vorformulierten Vertragsinhalte zu diesem Thema fraglich, teils scheitert die Übernahme des Dienstrads durch den Arbeitnehmer an seiner Bereitschaft zur Mitwirkung oder schlicht an seiner Zahlungsfähigkeit. Und selbst wenn der Arbeitgeber einen wirksam vereinbarten vertraglichen Anspruch gegen den Arbeitnehmer hätte, dass dieser das Dienstrad übernimmt und ihn von den entsprechenden Kosten befreit, müsste ein derartiger Anspruch im Streitfall erst einmal gerichtlich durchgesetzt werden – was möglicherweise mehr Geld verschlingt als die Leasingraten für den verbleibenden Zeitraum noch ausmachen.
Dementsprechend ist anzuraten, für Beendigungskonstellationen von vorherein ein verlässliches und durchsetzbares Konzept zu erarbeiten und dann auch in den Verträgen mit den Mitarbeitern wirksam zu vereinbaren.
Ähnliches gilt für Störfälle während des laufenden Arbeitsverhältnisses die dazu führen, dass dem Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, von welchem eine Entgeltumwandlung einbehalten werden könnte. Zu denken ist etwa an Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlung, Sonderurlaub, Lohnpfändung, aber auch etwa an Arbeitsausfälle wegen Schwangerschaft, Elternzeit oder Pflegezeit. Für derartige Fälle sollte – dem Vorbild der jetzt vorliegenden Entscheidung folgen – in dem Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt sein, dass der Arbeitnehmer für diese Zeiten die Leasingraten für das Dienstrad weiterhin zu tragen hat. Grob verkehrt wäre es hingegen zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer für solche Zeiten das Dienstrad an den Arbeitgeber heraus zu geben hätte und dafür dann auch von der Verpflichtung zur Übernahme der Leasingraten frei wird. Regelmäßig wird der Leasinggeber das Fahrrad nicht vorzeitig zurück nehmen und der Arbeitgeber hätte das Rad auf dem Hof stehen und müsste alleine die Leasingraten tragen ohne das Rad sinnvoll zu nutzen.
Aber auch bei noch so guter vertraglicher Regelung bleibt letzten Endes das wirtschaftliche Risiko beim Arbeitgeber: Denn eine vollständige Abwälzung der Leasingkosten auf den Arbeitnehmer wird in solchen Fällen verlässlich nur dann gelingen, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Störfalls seine Arbeit wieder aufnimmt und somit ein Arbeitseinkommen vorhanden ist, von dem die zwischenzeitlich aufgelaufenen Leasingraten einbehalten werden können. Wird das Arbeitsverhältnis nicht wieder aufgenommen, und entsteht somit kein weiterer Vergütungsanspruch, fehlt es an einer Grundlage für einen entsprechenden Einbehalt des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber müsste dann die entsprechenden Zahlungsansprüche beim Arbeitnehmer geltend machen, gegebenenfalls einklagen und notfalls vollstrecken. Ein weiter Weg.
Ein Lösungsansatz kann auch darin liegen, bei der Auswahl des Anbieters ganz bewusst akzeptable Modalitäten für eine vorzeitige Rückgabe des Rades bei Störfällen im Arbeitsverhältnis auszuhandeln.
Neben der Absicherung dieser (und weiterer) Störfälle ist auch die Entgeltumwandlung ganz grundsätzlich in diesem Zusammenhang nicht ganz risikofrei. Dies gilt insbesondere dort, wo Arbeitnehmer auf der Basis von Tarifverträgen vergütet werden. Nach der gesetzlichen Konzeption sind tarifliche Vergütungsansprüche unverzichtbar, dass schließt mit ein, dass sie auch nicht durch Sachleistungen ersetzt werden dürfen. Eine Entgeltumwandlung ist bei tariflich beschäftigten Arbeitnehmern daher nur dann wirksam möglich, wenn das entsprechende Tarifwerk dies zu Gunsten von Dienstrad Modellen ausdrücklich zulässt (was inzwischen in einzelnen Tarifwerken der Fall ist) oder soweit der Arbeitnehmer übertariflich vergütetet wird und ausschließlich übertarifliche Vergütungsbestandteile zur Umwandlung kommen. Würden die Parteien jedoch eine Entgeltumwandlung bezogen auf einen Tariflohn vereinbaren wäre diese Vereinbarung unwirksam, der Arbeitnehmer könnte trotz dieser Vereinbarung weiterhin die Auszahlung seines vollen Tarifgehalts verlangen und – deutlich risikoträchtiger – der Arbeitgeber wäre auch verpflichtet, auf das volle Tarifgehalt (sog. Phantomlohn) Steuern- und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, so, als ob es die Entgeltumwandlung nicht gäbe. Vereinbart der Arbeitgeber dennoch mit einem tariflich vergüteten Arbeitnehmer eine Entgeltumwandlung zur Finanzierung eines Dienstrads muss er damit rechnen, dass er für die nachträgliche Zahlung der auf diese Weise zu wenig entrichteten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (inklusive Arbeitnehmerbeiträge) haftet. Gleichzeitig stehen in derartigen Konstellationen wegen der nicht ordnungsgemäßen Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen eine Reihe von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und Straftatbeständen im Raum, insbesondere eine Strafbarkeit gem. § 266 a) StGB wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.
Das Dienstrad Modell ist für den Arbeitgeber daher keineswegs so risikoarm, wie es von den entsprechenden Anbietern gerne dargestellt wird. Dies muss niemanden dazu veranlassen, von derartigen Modellen Abstand zu nehmen, das wird auch im Hinblick auf die Erwartungshaltung vieler Beschäftigter nicht darstellbar sein. Es wird aber durchaus ratsam sein, bestehende oder geplante Dienstrad Modelle auf derartige Konfliktpunkte zu untersuchen und soweit möglich in den vertraglichen Vereinbarungen und in der tatsächlichen Handhabung geeignete Schutzmechanismen einzubauen.