Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am 26.11.2014 entschieden, dass die Hessische Bedarfsgewerbeverordnung insoweit nichtig ist, als sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in Callcentern zulässt. Nach dieser Entscheidung dürften auch die entsprechenden Verordnungen anderer Bundesländer nur noch vorübergehend eine Grundlage für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung bieten.
Das Arbeitszeitgesetz verbietet grundsätzlich die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen, sieht hierfür aber gleichzeitig eine Reihe von Ausnahmen vor und ermächtigt die Landesregierungen, weitergehende Ausnahmen durch Verordnung zuzulassen.
Von dieser Verordnungsermächtigung haben die meisten Bundesländer durch die sogenannten Bedarfsgewerbeverordnungen Gebrauch gemacht. Die hessische Bedarfsgewerbeverordnung gestattet Sonn- und Feiertagsarbeit – nahezu inhaltsgleich mit den entsprechenden Verordnungen anderer Bundesländer – unter anderem für folgende Tätigkeiten:
· in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken
· im Bestattungsgewerbe,
· in Garagen und Parkhäusern,
· in Brauereien, in Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels, die derartige Erzeugnisse vertreiben,
· in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis
· im Immobiliengewerbe mit der Begleitung und Beratung von Kunden bei der Besichtigung von Häusern und Wohnungen
· in Musterhaus-Ausstellungen mit gewerblichem Charakter
· im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen
· in Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (sog. Callcenter),
· in Lotto- und Totogesellschaften
Das BVerwG hatte am 26.11.2014 (BVerwG 6 CN 1.13) aufgrund der Normenkontrollanträge einer Gewerkschaft und zweier evangelischer Gemeindeverbände über die Wirksamkeit der hessischen Bedarfsgewerbeverordnung zu entscheiden. Das BVerwG kam zu dem Ergebnis, dass die hessische Bedarfsgewerbeverordnung insoweit nichtig ist, als sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in den Bereichen Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Callcentern und Lotto- und Totogesellschaften zulässt. Soweit die Verordnung eine Beschäftigung in den Bereichen Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein, Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis zulässt, hat das BVerwG zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Der bislang vorliegenden Pressemitteilung zufolge sieht das BVerwG für die nunmehr für nichtig erklärten Ausnahmeregelungen kein sonn- und feiertagsspezifisches Bedürfnis.
Infolge dieser Entscheidung ist zunächst einmal in Hessen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken, Callcentern und Lotto- und Totogesellschaften nicht mehr erlaubt. Für den Fall der Zuwiderhandlung greifen die Bußgeld- und Strafvorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Dies wird insbesondere die Betreiber von Callcentern im Versandhandel besonders hart treffen.
Für die Bedarfsgewerbeverordnungen anderer Bundesländer hat die Entscheidung des BVerwG zunächst keine Auswirkungen. Diese sind nach wie vor unverändert in Kraft. Allerdings ist zu erwarten, dass die gleichen gesellschaftlichen Gruppierungen, die das Normenkontrollverfahren in Hessen in Gang gesetzt haben, dies auch in anderen Bundesländern versuchen werden. Bis das BVerwG derartige Verfahren letztinstanzlich entscheidet wird es Monate, wenn nicht Jahre dauern. Das Ergebnis dieser Verfahren scheint nach dem jüngsten Urteil des BVerwG allerdings vorgezeichnet. Zudem ist nicht auszuschließen, dass einzelne Bundesländer ihre Ausnahmeregelungen unter dem Eindruck dieser jüngsten Entscheidung überarbeiten.
Kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung sind die ersten Stimmen aus den betroffenen Wirtschaftsverbänden laut geworden, die den (Bundes-) Gesetzgeber auffordern, durch entsprechende gesetzliche Regelung die Sonn- und Feiertagsarbeit in den von der Entscheidung betroffenen Bereichen ausdrücklich zu gestatten. Rechtstechnisch bestünde ein Ausweg aus der aktuellen Situation tatsächlich darin, entsprechende Ausnahmetatbestände unmittelbar im Arbeitszeitgesetz zu regeln. Dass eine derartige Vorgehensweise derzeit politisch mehrheitsfähig ist darf jedoch bezweifelt werden.
Daher gilt es für betroffene Unternehmen in allen Bundesländern die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten und – soweit möglich – Alternativlösungen vorzubereiten.