Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass Betriebsräte für ein Auskunftsverlangen zu sensiblen Mitarbeiterdaten angemessene Maßnahmen zum Schutz dieser Informationen treffen müssen. Obwohl das Gericht diese Notwenigkeit ausdrücklich betont, verbleibt dem Betriebsrat bei der Umsetzung ein gewisser Spielraum. Die Details der Entscheidung (LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 20. Mai 2022 – 12 TaBV 4/21) werden wegen des eingelegten Rechtsmittels wohl noch das Bundesarbeitsgericht beschäftigen.
Fall:
Der Betriebsrat strebte die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb an und verlangte dazu vom Arbeitgeber die Namen aller schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Mitarbeiter. Der Arbeitgeber verwies auf den Datenschutz und meinte, zur Weitergabe der Namen sei in jedem Fall die Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter erforderlich. Als diese nicht von allen betroffenen Mitarbeitern erteilt wurde, lehnte der Arbeitgeber das Auskunftsverlangen des Betriebsrats gänzlich ab. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein Gerichtsverfahren ein und bekam vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Recht.
Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stellte zunächst fest, dass die angeforderten Daten dem Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben dem Grunde nach zustünden. Für die Vorbereitungen einer Wahl zur Schwerbehindertenvertretung sei es erforderlich, dass der Betriebsrat die Namen der schwerbehinderten bzw. denen gleichgestellten Mitarbeiter kenne. Unerheblich sei, dass es eigentlich keine rechtliche Pflicht gibt, diese Personen persönlich für die Einladung zu einer Wahlversammlung zu adressieren. Das Gericht ließ es ausreichen, dass es der Betriebsrat lediglich für praktikabel hielt, die schwerbehinderten Menschen persönlich anzuschreiben und auf diese Weise die Wahlversammlung zu organisieren.
Das Gericht betonte, dass es sich bei der Schwerbehinderteneigenschaft um besonders geschützte Gesundheitsdaten (Art. 4 Nr. 15, Art. 9 Abs. 1 DSGVO) handele. Das Gericht griff daher auf höchstrichterliche Rechtsprechung aus dem Jahr 2019 zurück und stellte fest, dass der Betriebsrat sSolche Daten nur verlangen könne der Betriebsrat nur verlangen, wenn er bei deren Verarbeitung spezifische Schutzmaßnahmen (§§ 26 Abs. 3, 22 Abs. 2 BDSG) ergreife. Wie diese genau ausgestaltet seien, könne der Betriebsrat ohne arbeitgeberseitige Vorgaben entscheiden. In seiner ausführlich begründeten Entscheidung nannte das Gericht Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einige mögliche Maßnahmen: ein Passwortschutz des E-Mail-Postfaches des Betriebsrats, Zugriffsbegrenzungen (beispielsweise auf einzelne Betriebsratsmitglieder), die Datenlöschung nach Abschluss des Betriebsratsaufgabe (Löschkonzept), die Benennung eines Datenschutz-Sonderbeauftragten im Gremium, die verpflichtende Datenschutzschulung aller Betriebsratsmitglieder oder das Absperren des Betriebsratsbüros. Besondere Dokumentationspflichten, wie das Führen eines Verzeichnisses über die genauen Daten-Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 Abs. 1 DSGVO) oder das Niederlegen einer Datenschutz-Folgenabschätzung (Art. 35 DSGVO) verlangte das Gericht nicht vom Betriebsrat.
Im konkreten Fall legte das Gericht die Hürde für ein ausreichendes Schutzkonzept allerdings nicht besonders hoch. Denn ausreichend waren bereits die Zugangsbeschränkung zum Betriebsratsbüro und eine passwortgeschützte IT-Infrastruktur. Ebenso wurde auf die Selbstverpflichtung des Betriebsrats verwiesen, Löschvorgänge sicherzustellen und diese auch zu kontrollieren. Nicht notwendig war für das Gericht die Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter zur Weitergabe ihrer Namen an den Betriebsrat. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats „nicht zur Disposition“ der Mitarbeiter stünde.
Fazit:
Die Entscheidung mag Betriebsräte daran erinnern, dass die Arbeit mit sensibelsten Mitarbeiterdaten zwar möglich ist, jedoch von Schutzmaßnahmen flankiert werden muss. Klar dürfte auch werden, dass der Betriebsrat bei solchen Maßnahmen gewisse Spielräume hat, Schutzmaßnahmen aber nicht gänzlich unterlassen darf. Ob die Rechtsprechung weitere Präzisierungen vornehmen wird, kann mit Spannung erwartet werden.