Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

BAG zur Zeiterfassung – die Gründe

In einer vielbeachteten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21) die Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitgeber festgestellt. Bisher kannten wir nur die Pressemitteilung des Gerichts (Newsletter vom 14.9.2022). Jetzt liegen auch die Entscheidungsgründe vor.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) alle Arbeitgeber verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst und aufgezeichnet wird oder werden kann. Soviel war bisher schon bekannt. Neue Erkenntnisse ergeben sich aus den Entscheidungsgründen kaum, allenfalls ein paar Klarstellungen:

  • In den Gründen hat das Gericht zum einen geklärt, dass die Pflicht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems sich nicht darauf beschränkt, ein solches den Mitarbeitern bloß zur Verfügung zu stellen und ihnen die Nutzung freizustellen. Dies hatten vereinzelt Kommentatoren so vorgeschlagen. Das System muss auch tatsächlich genutzt werden.
  • Ausdrücklich bestätigt das BAG, dass das Gesetz keine konkrete Form des Systems vorschreibt und die Zeiterfassung unterschiedlich erfolgen kann. Das System muss im Sinne der EuGH Rechtsprechung lediglich verlässlich, objektiv sowie zugänglich sein. Das heißt auch, dass die Papierform unter Umständen genügen kann. Hier haben die Unternehmen Gestaltungsspielräume – jedenfalls bis zu einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber.
  • Außerdem wird festgehalten, dass die Pflicht zur Zeiterfassung auch an die Arbeitnehmer delegiert werden kann. Die Entscheidung bedeutet also keineswegs das Ende der Vertrauensarbeitszeit, sofern man Vertrauensarbeitszeit als ein Modell versteht, in dem die Arbeitnehmer selbständig und flexibel ihre Arbeitszeit selbst festlegen können. So verstanden ist die Vertrauensarbeitszeit auch weiterhin möglich. Die Arbeitszeit auf Basis des Vertrauens muss jedoch dokumentiert werden.
  • Das Bundesarbeitsgericht weist weiter darauf hin, dass die Pflicht zur Zeiterfassung grundsätzlich für alle Arbeitnehmer gilt, solange der Gesetzgeber keine Sonderregelungen trifft, was ihm laut der EuGH-Entscheidung möglich wäre. Nicht ganz eindeutig geht aus den Entscheidungsgründen hervor, ob auch leitende Angestellte von der Pflicht erfasst sind. Solche sind bekanntermaßen aber ohnehin selten.
  • Ferner stellt das Gericht fest, dass der Betriebsrat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems hat. Ein Initiativrecht zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung, also der Frage des „Ob“ einer Zeiterfassung, hat er angesichts der gesetzlichen Verpflichtung jedoch nicht.

Fazit:

Die Entscheidungsgründe bringen nicht viel Neues, bestätigen aber, was man bisher aus der Pressemitteilung erahnen konnte.

Um sich im Sinne der BAG-Entscheidung rechtmäßig zu verhalten, müssten Arbeitgeber ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Zeiterfassung einführen, soweit ein solches noch nicht im Unternehmen besteht. Dies muss kein elektronisches Tool sein. Auch eine händische Erfassung, etwa durch die Mitarbeiter selbst, erscheint weiterhin möglich.

Aber auch ohne Zeiterfassungssystem sind aktuell wohl keine Bußgelder zu befürchten. Zunächst müsste die zuständige Behörde eine entsprechende Anordnung an den Arbeitgeber richten. Erst dann könnte im Falle der Zuwiderhandlung ein Bußgeld verhängt werden.

Nachdem sich die Entscheidung des BAG ausschließlich mit arbeitsschutzrechtlichen Aspekten der Arbeitszeit befasst, sind Vergütungsfragen nicht unmittelbar betroffen.

Abzuwarten bleibt, ob sich der Gesetzgeber nach Lektüre der Entscheidungsgründe doch noch der Neugestaltung der Arbeitszeitregeln widmet oder dies weiterhin den Gerichten überlässt.