Unternehmen müssen seit der Einführung des Geschäftsgeheimnisgesetzes im Jahr 2019 „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreifen, damit eine bestimmte interne Information als Geschäftsgeheimnis klassifiziert werden kann. Allein der Umstand, dass eine Information besonders wichtig für ein Unternehmen ist, reicht für sich genommen nicht mehr aus.
Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen wird jedoch klar: Der Aufwand für Unternehmen ist erheblich. Unkonkrete und uferlos ausgestaltete arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln genügen nicht. Außerdem verlangt das Gericht von Arbeitgebern ein speziell auf die Geheimnisse zugeschnittenes Geheimnisschutzkonzept.
Fall:
Ein Mitarbeiter versendete an einen potentiellen Konkurrenten seines Arbeitgebers per E-Mail unter anderem detaillierte technologische Angaben und Leistungsdaten für den Betrieb einer Maschine zur Herstellung von Spezial-Verpackungsmaterial. Die Informationen wurden vom Arbeitgeber bewusst nicht durch gewerbliche Schutzrechte geschützt, da er befürchtete, sie könnten dadurch erst an die Öffentlichkeit geraten. Arbeitgeber und Beklagter vereinbarten im Arbeitsvertrag eine Verschwiegenheitsklausel, die „alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen […] Angelegenheiten der Gesellschaft“ umfasste („Catch-All-Klausel“). Die Verschwiegenheitspflicht reichte über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus und sah keinen Endzeitpunkt vor.
Nachdem die Weitergabe der Informationen aufgedeckt werden konnte, versuchte der Arbeitgeber das Verhalten seines Mitarbeiters mittels einer einstweiligen Verfügung zu stoppen und unter Androhung von Zwangsgeld für die Zukunft zu verhindern. Der Arbeitgeber hatte damit im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens in zwei Instanzen keinen Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, der Arbeitgeber hätte die sensiblen Informationen unzureichend geschützt, weshalb sie nicht einmal als Geschäftsgeheimnisse gelten könnten.
Entscheidung und Einordnung:
Allumfassende arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln sind unwirksam und vermitteln keine Schutzwirkung für betriebliche Informationen
Diesem Ergebnis schloss sich auch das Arbeitsgericht Aachen in seiner Hauptsacheentscheidung an. Es wies die Klage des Arbeitgebers ab und wies auch Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers zurück.
Das Gericht verwies im Kern darauf, dass die ergriffenen Geheimhaltungsmaßnahmen nicht dafür ausreichten, um die betrieblichen Informationen als Geschäftsgeheimnisse im Sinne des GeschGehG zu qualifizieren. Vor dem Hintergrund, dass ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 GeschGehG erst dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergreift, stellte das Gericht fest: Eine arbeitsvertragliche Catch-All Klausel ist AGB-rechtlich unwirksam und stellt damit keine taugliche Geheimhaltungsmaßnahme dar. Zwar könne man durch andere Schutzmaßnahmen ein solches Defizit grundsätzlich wieder aufwiegen. Dies sei dem Arbeitgeber jedoch nicht gelungen. Denn die IT-Sicherungssysteme des Arbeitgebers, sowie seine physischen Zugangskontrollen reichten hierzu nicht aus. Als absolutes Mindestmaß für ein hinreichendes Schutzsystem bezeichnete das Gericht das sog. „Need-To-Know-Prinzip“. Danach dürfen sensible Informationen nur an Personen bekannt gegeben werden, die diese Informationen für die Durchführung ihrer Aufgaben (potentiell) benötigen. Erforderlich ist weiterhin, dass diese Personen verschwiegenheitsverpflichtet sind. Das Gericht statuierte für die Darlegungslast des Arbeitgebers darüber hinaus enorm hohe Hürden. Konkret darzulegen ist das von ihm eingerichtete Geheimhaltungsmanagement insgesamt, sowie dessen Bezug auf jedes einzelne Geheimnis. Erforderlich sind detaillierte Angaben darüber, welches Geheimnis wie und wie lange geschützt war und welche Personen mit der Information in Berührung kamen.
Fazit:
Update arbeitsvertraglicher Verschwiegenheitsklauseln nötig!
Das Urteil gibt wichtige Hinweise für Arbeitgeber, die den Schutz ihrer betrieblichen Informationen sicherstellen wollen. Sie können aus der Bedeutung eines Geheimnisses für den Geschäftserfolg nicht mehr auf die Einordnung einer Information als Geschäftsgeheimnis schließen. Nötig ist vielmehr die Implementierung eines differenzierten betrieblichen Geheimnisschutzsystems, welches der Arbeitgeber auf die vorhandenen Informationen abstimmen muss.
Arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln spielen dabei eine wichtige Rolle. Da diese jedoch der AGB-Kontrolle unterliegen, ist von „Catch-All-Klauseln“ Abstand zu nehmen. Abzuzeichnen scheint sich weiterhin, dass nur wirksame Klauseln als Schutzmaßnahmen anerkannt werden und es damit unerheblich ist, ob der Arbeitgeber wenigstens den Versuch unternahm, seine Geheimnisse mit einer nur vermeintlich wirksamen Klausel zu schützen. Beim Einsatz von Verschwiegenheitsklauseln sollte zukünftig also sichergestellt werden, dass diese die Geheimnisse möglichst konkret bezeichnen oder umschreiben. Weitergehende Maßnahmen zum Geheimnisschutz und deren Dokumentation sind dringend zusätzlich zu ergreifen. Dazu gehört insbesondere ein striktes Need-To-Know-Prinzip.