Unter dem Eindruck des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung und des Geschäftsgeheimnisgesetzes sowie der Neuerungen im Arbeitszeitrecht sind die Diskussionen um die Arbeit im Homeoffice zuletzt in den Hintergrund gerückt. Trotz des erklärten Vorhabens der Bundesregierung einen Anspruch auf Homeoffice zu schaffen, kamen die Initiativen zuletzt nicht mehr recht voran.
Die Planungen des Gesetzgebers könnten nunmehr im Zuge des um sich greifenden Corona-Virus-Ausbruchs vom tatsächlichen Geschehen überholt werden. Zwar ist Deutschland in der Fläche von akuten Krankheitsfällen noch verschont geblieben, dennoch gab es immerhin bereits den Fall einer bayerischen Firma, die konkret und massiv von der Problematik betroffen war.
Vor diesem Hintergrund sollten sich Unternehmen im Sinne der vorbeugenden Krisenplanung die Frage stellen, ob sie auf eine vergleichbare Krisensituation ebenso gut vorbereitet sind, wie das betroffene Unternehmen.
1. Betriebsschließung auf Initiative von Behörden oder Arbeitgeber
Im Falle einer Infektion eines oder gar mehrerer Mitarbeiter kommt neben einer behördlichen Veranlassung einer Schließung des Unternehmens auf der Basis § 30 IfSG auch eine Betriebsschließung durch den Arbeitgeber zur Vermeidung der Ausbreitung der Erkrankung in Betracht. Im Sinne der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann eine solche Maßnahme sogar geboten sein.
Damit stellt sich die Frage, welche Mittel der Arbeitgeber hat, Arbeitnehmern die Arbeit am Arbeitsplatz zu verweigern und gegebenenfalls sogar von den Arbeitnehmern zu verlangen, von einem Homeoffice aus tätig zu werden.
Im Falle einer Betriebsschließung greifen die Grundsätze der Betriebsrisikolehre. Danach trägt der Arbeitgeber das Risiko, seinen Arbeitnehmern einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen. Gelingt ihm dies nicht (aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen) bleibt der Arbeitgeber jedenfalls zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Die daneben bestehende Möglichkeit für Arbeitnehmer, ggf. auch per einstweiliger Verfügung die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Unternehmen zu verlangen, dürfte in einem echten Krisenfall zu vernachlässigen sein.
Insoweit stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitgeber von den Mitarbeitern verlangen kann, von einem Homeoffice aus tätig zu werden.
Grundsätzlich bietet der Arbeitsvertrag in aller Regel keine Handhabe, von Mitarbeitern eine Homeoffice-Tätigkeit zu verlangen. Die Rechtsprechung verlangt eine ausdrückliche Vereinbarung für den Fall einer beabsichtigten Homeoffice-Tätigkeit, ansonsten besteht aus den Gesichtspunkten der Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Unverletzlichkeit der Wohnung keine Rechtsgrundlage für eine Ausübung des Direktionsrechts.
In Betrieben mit Betriebsrat kommt hinzu, dass in vielen Aspekten die Begründung von Homeoffice-Tätigkeit der betrieblichen Mitbestimmung unterliegt und einer entsprechenden Betriebsvereinbarung bedarf. Selbst in Unternehmen, wo es eine Betriebsvereinbarung zur (teilweisen) Homeoffice-Tätigkeit gibt, wird diese den Krisenfall regelmäßig nicht abbilden, da dort nur die tageweise Abwesenheit vom Arbeitsplatz für einzelne Arbeitsverhältnisse geregelt sein wird.
Das Vorhandensein einer Betriebsvereinbarung an sich reicht im Übrigen zur Begründung einer Verpflichtung der Arbeitnehmer nicht aus, das individuelle Einverständnis des Mitarbeiters ist zusätzlich erforderlich. Abzulehnen ist die Sichtweise, dass es sich um einen Notfall handelt, der sowohl die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aushebelt als auch eine vertragliche Vereinbarung entbehrlich macht.
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass im Falle einer (teilweisen) Betriebsschließung zur Begründung einer Verpflichtung der Arbeitnehmer zur externen Arbeitstätigkeit sowohl eine vertragliche Vereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer als auch (bei Vorhandensein eines Betriebsrats) eine konkrete Betriebsvereinbarung erforderlich ist. Der Arbeitgeber ist also letztlich auf Verständnis und Solidarität seiner Belegschaft angewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein Großteil der Belegschaft das nötige Einsehen hat, dass eine Verweigerungshaltung – ungeachtet der rechtlichen Bewertung – in solch einem Krisenfall die wirtschaftliche Fortexistenz des Unternehmens und damit auch die des eigenen Arbeitsverhältnisses in Frage stellen kann.
2. Leistungsverweigerung der Arbeitnehmer
In China ist derzeit das Phänomen zu beobachten, dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz grundsätzlich möglich erscheint (jedenfalls keine gesetzlichen Verbote oder entsprechende Entschließungen des Arbeitgebers vorliegen), die Arbeitnehmer jedoch aus Angst vor einer Infektion nicht am Arbeitsplatz erscheinen.
In derartigen Fällen geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Arbeitsleistung nur bei konkreten Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatzbesteht. Die bisherige Rechtsprechung geht von einem derartigen konkreten Gesundheitsrisiko aus, wenn es bereits zu nachgewiesenen Infektionsfällen gekommen ist. Die Problematik mit dem Corona-Virus besteht nunmehr allerdings darin, dass in vielen Fällen eine lange (möglicherweise auch symptomlose) Inkubationszeit vorliegt und medizinisch bisher nicht ausgeschlossen ist, dass auch scheinbar genesene Mitarbeiter weiterhin Infektionen übertragen können. Die arbeitsrechtliche Frage ist, ob allgemeine Vermutungen, etwa die Rückkehr von Mitarbeitern aus einem Infektionsgebiet innerhalb der Frist für eine Inkubation hinreicht, um eine konkrete Gesundheitsgefährdung anzunehmen. Soweit ersichtlich liegt hierzu noch keine Rechtsprechung vor. Tatsächlich wird ein verständiger Arbeitgeber allerdings in derartigen Fällen auch versuchen, anderweitige Maßnahmen zu ergreifen, bevor er zu arbeitsrechtlichen Mitteln wie der Verweigerung der Entgeltfortzahlung oder sogar Abmahnung und Kündigung greift.
In derartigen Fällen kommt in Betracht, mit dem Mitarbeiter aus konkretem Anlass eine Heimarbeits-Regelung zu vereinbaren (gegebenenfalls unter Beteiligung des Betriebsrats, soweit es sich nicht nur um einen Einzelfall handelt). Ohne eine solche Vereinbarung verbleibt es allerdings grundsätzlich dabei, dass Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung (im Betrieb) verpflichtet sind. Erscheinen sie nicht, besteht keine Vergütungspflicht.
Alternativ zur Heimarbeit hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, wenn nicht die Verpflichtung, Alternativen zu prüfen. In Betracht kommen eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens oder gar im Konzern, die Anordnung von Urlaub bzw. Freistellung unter Verrechnung von Arbeitszeitguthaben und die Anordnung von Kurzarbeit (soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen).
3. (Selbst)Isolation im Krankheitsfall
Ist ein Mitarbeiter erkrankt oder lebt er in einem Haushalt mit einem nachgewiesenen Krankheitsfall, geht die Infektionsmedizin derzeit davon aus, dass eine Selbstisolation das geeignete Mittel der Wahl ist. Bei schweren Krankheitsverläufen ist eine notfallmedizinische Betreuung erforderlich.
In erstgenanntem Fall liegt der Fall der Entgeltfortzahlungsverpflichtung für den Arbeitgeber nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vor, eine Verpflichtung zur Ableistung von Arbeit besteht ohnehin nicht. Soweit im Fall der Erkrankung von Angehörigen oder gar einem bloßen Verdachtsfall kein Betreuungsbedarf besteht (und somit ein Fall des § 616 BGB) liegt eine Parallele zur Betriebsschließung nahe, mit entsprechender Vergütungspflicht. Es dürfte in diesen Fällen kaum der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (in diesem Fall vornehmlich für die Restbelegschaft) entsprechen, den Arbeitnehmer zur Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit aufzufordern.
Ergänzend ist hierzu darauf hinzuweisen, dass im Falle einer behördlich angeordneten Isolation oder gar Quarantäne die Möglichkeit für Arbeitgeber besteht, eine (teilweise) Erstattung der Lohnfortzahlungskosten zu erlangen (§ 56 IfSG).
4. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Jenseits der bereits erwähnten Mitbestimmung des Betriebsrats bei Telearbeit sind in den vorgenannten Fallkonstellationen einer Reihe weiterer Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. In Betracht kommen insbesondere
- Informations- und Beratungsrechte zum Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Mitbestimmungsrechte im Arbeitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG),
- Mitbestimmungsrechte zur Anordnung von Arbeitszeitänderungen (z. B. längeres Arbeiten der Kernbelegschaft bzw. Notfallmannschaft, Änderungen der Betriebsöffnungs- und Arbeitszeiten; § 87 Abs. Nrn. 2 + 3 BetrVG),
- Mitbestimmung bei der Anordnung von Kurzarbeit und Überstunden (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG),
- Mitbestimmung bei der Anberaumung des Betriebsurlaubs im Zuge einer vorübergehenden Betriebsschließung (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG),
- die Mitbestimmung bei Beurlaubung einer Arbeitskraft entgegen dem Willen des Mitarbeiters (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG),
- die vorübergehende Schließung von Sozialeinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG),
- die Gewährung von Anwesenheitsprämien (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG),
- die Durchführung von Versetzungen (§§ 95, 99 BetrVG).
Diese noch nicht abschließende Aufzählung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zeigt bereits, warum in Betrieben mit Betriebsrat eine vorbeugende Betriebsvereinbarung für den Not- bzw. Pandemiefall dringend ratsam erscheint. Nur auf Basis solch einer Vereinbarung kann der Arbeitgeber die notwendigen Maßnahmen im Bedarfsfall umgehend ergreifen. Ohne dies müsste in jedem Einzelfall in kürzester Zeit neu verhandelt werden, ein schwieriges bis unmögliches Unterfangen.
5. Praktische Vorsorgemaßnahmen
Zu den dringend ratsamen praktischen Vorsorgemaßnahmen gehört in Betrieben mit Betriebsrat der Abschluss einer bzw. mehrerer Betriebsvereinbarungen, in denen Themen wie Homeoffice-Tätigkeit, Kurzarbeit, vorübergehende Veränderung der Arbeitszeiten und ähnliches für den Krisenfall im Detail geregelt werden.
Darüber hinaus kommt durchaus aus eine (vorbeugende) vertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern über Homeoffice-Tätigkeit im Krisenfall in Betracht. Mag der Arbeitnehmer bei einer Betriebsschließung auf Initiative des Arbeitgebers noch skeptisch gegenüber einer ihm solchermaßen angetragenen Vertragsergänzung sein, könnte dies anders sein, wenn die angebotene Vertragsergänzung auch das Recht des Mitarbeiters vorsieht, in einem Krisenfall (s. o. Ziffer III) in Eigeninitiative zuhause zu bleiben und von dort aus zu arbeiten.
Selbstverständlich müssen für die praktische Durchführung solcher betrieblichen Regelungen Vorkehrungen technischer und organisatorischer Art getroffen werden. Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter müssen technisch so ausgestattet sein, dass eine sinnvolle Tätigkeit von zuhause aus auch kurzfristig möglich ist. Hierfür müssen sowohl von der Hard- als auch der Softwareseite entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Darüber hinaus ist heute bereits in vielen deutschen Unternehmen ein Krisenstab bzw. eine Task Force eingerichtet, der/die die Situation beobachtet und im Notfall kurzfristig agieren kann. Wichtig ist organisatorische Verantwortlichkeiten zu benennen und einen Kommunikationsplan aufzustellen. Typischerweise sind Beteiligte an einer derartigen Task Force die Geschäftsführung und der Betriebsarzt, die Leitung der Personalabteilung, der Betriebsrat, die Fachkraft für Arbeitsschutz, das Gebäudemanagement und die IT, ggf. auch externe Berater.
Gerade auch im Krisenfall beweist sich die Richtigkeit des alten Grundsatzes, dass gut vorbereitete Unternehmen einen Vorteil gegenüber denjenigen Arbeitgebern haben, die erst im Notfall beginnen, Überlegungen zur Krisenbewältigung anzustellen.