Die Bundesagentur für Arbeit hat jüngst neue, sogenannte „Fachliche Weisungen“ für die Umsetzung und Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes veröffentlicht. Die in den Fachlichen Weisungen nunmehr vertretene Rechtsauffassung zum Anwendungsbereich des AÜG führt dazu, dass das inzwischen sehr verbreitete Modell des Employer of Record für Arbeitgeber in Deutschland in vielen Fällen als illegale Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert wird. Dies kann mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden und hat weitere unangenehme Konsequenzen zur Folge.
Anwendunsbereich des AÜG
Die Anwendung des AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) ist räumlich eigentlich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Das AÜG greift nur, sofern die Überlassung einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Die Bundesagentur für Arbeit strebt jedoch eine Ausweitung auf Konstellationen an, in denen ein Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig wird und lediglich virtuell bei einem inländischen Unternehmen eingegliedert wird. In den Fachlichen Weisungen AÜG findet sich folgende Aussage:
„Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Arbeitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im Homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeitnehmer rein körperlich befindet. Die wesentliche Fragestellung im Kontext der Erlaubnispflicht ist, ob die Überlassung einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. Bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen ist ein Inlandsbezug regelmäßig gegeben, sofern der Leiharbeitnehmer aus dem Ausland virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.“
In der Konsequenz bedeutet dies, dass für das Modell des sogenannten „Employer of Record“ (EoR) eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erforderlich ist.
Employer of Record
Beim Modell des „Employer of Record“ wird üblicherweise ein im Ausland ansässiges Unternehmen damit betraut, im Ausland Mitarbeiter einzustellen, die dann für das deutsche Unternehmen tätig werden. In den meisten Fällen handelt es sich um Arbeitnehmer, die remote in einem vom Employer of Record angemieteten Büro oder im Homeoffice tätig sind. Das ausländische Unternehmen ist für die rechtskonforme Entlohnung der Mitarbeiter sowie die Abführung von Steuern, Sozialabgaben und Versicherungen verantwortlich. Der Einsatz des Mitarbeiters wird jedoch ausschließlich vom inländischen Unternehmen gesteuert.
Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel: Ein Programmierer ist bei einem Unternehmen mit Sitz im osteuropäischen Ausland (EoR), beispielsweise in Bulgarien, angestellt und arbeitet (ausschließlich remote in Bulgarien) für ein Unternehmen in Deutschland. Dabei arbeitet er zusammen mit Mitarbeitern dieses Unternehmens in Deutschland in einem Team an einem IT-Projekt.
In der Vergangenheit hatte man angenommen, dass eine solche Gestaltung jedenfalls nach deutschem Recht legal wäre, dass es sich insbesondere nicht um eine (verbotene) Arbeitnehmerüberlassung handelt, solange der eingesetzte Mitarbeiter aus dem Ausland und nicht physisch im Inland tätig wird.
Illegale Arbeitnehmerüberlassung
Diese Konstellation soll jedoch nun gemäß der neuen Weisungslage einen hinreichenden Inlandsbezug haben, der zur Anwendbarkeit des AÜG führt. In der Konsequenz benötigt das im Ausland ansässige EoR-Unternehmen somit eine Erlaubnis gemäß § 1 AÜG. Wenn das Unternehmen über keine entsprechende Erlaubnis verfügt, liegt eine illegale Arbeitnehmerüberlassung vor.
Für das in unserem Beispiel in Bulgarien ansässige Unternehmen ist dies vermutlich von untergeordneter Bedeutung. Für das Unternehmen in Deutschland stellt die illegale Arbeitnehmerüberlassung jedoch eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro bzw. – da es sich um einen ausländischen Arbeitnehmer handelt – sogar mit bis zu 500.000 Euro bedroht ist. Jede rechtskräftige Geldbuße, deren Höhe den Betrag von 200 Euro übersteigt, wird zudem in das Gewerbezentralregister eingetragen.
Der Entleih von einem Verleiher ohne Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist darüber hinaus strafbar, wenn mehr als fünf ausländische Arbeitnehmer eingesetzt werden, die die Tätigkeit nicht ausüben dürfen, oder sofern die ausländischen Arbeitnehmer zu ungünstigen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.
Schließlich führt die verbotene Arbeitnehmerüberlassung kraft Gesetzes zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem überlassenen Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. Der Leiharbeitnehmer könnte sich auf diese Weise in ein Arbeitsverhältnis nach deutschem Recht einklagen – was in der Mehrzahl der Fälle mutmaßlich nicht unbedingt im Interesse der betreffenden Arbeitnehmer liegen dürfte, aber auch nicht völlig fernliegend ist.
Praxisfolgen
Die Auffassung der Bundesagentur für Arbeit ist zumindest fragwürdig und keinesfalls rechtlich zwingend. Ganz einfach von der Hand zu weisen ist die Argumentation jedoch auch nicht. Die Fachlichen Weisungen stellen zwar keine Gesetze, sondern lediglich Verwaltungsvorschriften dar. Dies bedeutet, dass sie im Wesentlichen nur für Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit bindend sind. Ihre Bindungswirkung erstreckt sich nicht auf Außenstehende, insbesondere nicht auf Gerichte. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Weisungen gegenwärtig die Grundlage des Verwaltungshandelns der Bundesagentur für Arbeit darstellen. Dies betrifft bereits alle derartigen laufenden Personaleinsätze und sogar die in der Vergangenheit durchgeführten. Da es sich nicht um eine Rechtsänderung, sondern nur um eine (neue) Auslegung des geltenden Rechts handelt, besteht kein „Vertrauensschutz“.
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ist es für Unternehmen somit dringend geboten, die virtuelle Zusammenarbeit mit im Ausland tätigen Arbeitnehmern von Drittfirmen zu überprüfen, um eine illegale Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden.
Als Möglichkeit wäre zu erwägen, dass Drittfirmen eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Damit könnte eine legale Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland abgebildet werden. Dafür müssten dann aber auch die übrigen Formalien der Arbeitnehmerüberlassung – etwa ein rechtskonformer Überlassungsvertrag – eingehalten werden. Für Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU/des EWR haben, ist es allerdings nicht möglich, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu erhalten. Soweit der Bedarf des Unternehmens dies zulässt, wäre evtl. auch an eine werk- oder dienstvertragliche Ausgestaltung zu denken.
Für den Moment sieht es so aus, als hätte die Bundesagentur für Arbeit einen Weg gesucht und gefunden, das Konzept des EoR zu unterbinden.