Im Windschatten der Entscheidungsfindung über die „Bundesnotbremse“ hat die Bundesregierung am gestrigen Dienstag auch Ergänzungen der Corona-Arbeitsschutzverordnung beschlossen.
1. Angebotspflicht Home Office
Die durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung eingeführte Verpflichtung für Arbeitgeber, ihren Arbeitnehmern eine Verlagerung der Tätigkeit ins Home Office anzubieten, wo immer dies möglich ist, wird über den 30. April 2021 hinaus voraussichtlich bis zum 30.06.2021 verlängert. Bis dahin gelten die Verpflichtungen, die wir bereits mit unserem Newsletter vom 22. Januar 2021 (link) erläutert hatten fort.
2. Testpflicht
Nachdem ein erster Versuch in diese Richtung vor wenigen Wochen noch kurzfristig zurückgezogen wurde, wird durch eine weitere Änderung der Corona-Arbeitsschutzverordnung nun eine Verpflichtung für Arbeitgeber eingeführt, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten.
Die Verpflichtung besteht gegenüber allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Home Office arbeiten.
Der Arbeitgeber hat jedem solchen Beschäftigten mindestens einmal pro Kalenderwoche einen Corona Test anzubieten.
Mindestens zwei Corona Tests pro Kalenderwoche hat der Arbeitgeber besonders gefährdeten Beschäftigten anzubieten. Hierzu zählen Arbeitnehmer, die
• vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind,
• unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus begünstigen,
• personennahe Dienstleistungen anbieten, bei denen direkter Körperkontakt zu anderen Personen nicht vermieden werden kann,
• Tätigkeiten mit Kontakt zu anderen Personen ausüben, sofern die anderen Personen einen Mund- Naseschutz nicht tragen müssen,
• betriebsbedingt in häufig wechselnden Kontakt mit anderen Personen treten.
Abgrenzungsschwierigkeiten bei Begrifflichkeiten wie „häufig wechselnder Kontakt“, „direkter Körperkontakt“ „klimatische Bedingungen in geschlossenen Räumen, die eine Übertragung des Coronavirus begünstigen“ – sind, so evident diese Anknüpfungspunkte auch sein mögen – im Einzelfall vorprogrammiert. Im Zweifel sollte der Arbeitgeber eher zwei Tests pro Woche anbieten.
Eine Verpflichtung für die Arbeitnehmer, den angebotenen Test auch zu nutzen besteht nicht. Ob die Appelle des Bundesgesundheitsministers an die Arbeitnehmer, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen die erhoffte Wirkung haben, wird sich zeigen.
Ausweislich der Begründung zum Verordnungsentwurf können PCR-Tests oder Antigen-Schnelltests sowohl zur professionellen wie auch zur Selbstanwendung angeboten werden.
Das Angebot kann entweder dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber die Tests physisch beschafft und den Mitarbeitern zur Verfügung stellt (dies wird insbesondere für Antigen-Schnelltests / Selbsttests in Betracht kommen) oder dadurch, dass der Arbeitgeber eine Vereinbarung mit einem dritten (Arzt, Betreiber einer Testeinrichtung etc.) abschließt, aufgrund derer dieser Dritte die Tests für die Mitarbeiter durchführt.
Nachweise über die Beschaffung der Tests bzw. etwaiger Vereinbarungen mit Dritten hat der Arbeitgeber für vier Wochen aufzubewahren.
Nicht ausreichend ist es nach dem Wortlaut der Verordnung also, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nur die Möglichkeit einräumt, einen (derzeit kostenlosen) Test beispielsweise in einer nahe gelegenen Apotheke oder einem Testzentrum durchführen zu lassen.
Die Verordnung tritt am fünften Tag nach ihrer Verkündigung in Kraft. Mit der Verkündung ist kurzfristig zu rechnen. Das Ministerium geht davon aus, dass die Testpflicht in der kommenden Woche in Kraft treten soll.
3. Praktische Umsetzung
Viele für die praktische Umsetzung drängenden Fragen lässt die Verordnung unbeantwortet:
a) Es drängt sich die Frage auf, ob es sich bei der Durchführung der Tests vor Ort im Betrieb um Arbeitszeit handeln kann. Nach unserer Einschätzung ist das nicht der Fall. Die Durchführung eines solchen Tests – gleich ob als Selbsttest oder durch einen Dienstleister – gehört nicht zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers.
b) Bei den zur Verfügung gestellten Selbsttests stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmer diese vor Ort (unter Aufsicht des Arbeitgebers) verwenden müssen oder ggf. mit nach Hause nehmen dürfen. Die Verordnung sieht nur vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Tests zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber hat – zumindest nach rechtlichen Maßstäben – keinen Einfluss darauf, was die Mitarbeiter dann mit diesen Tests machen. Im besten Fall werden die Tests mitgenommen und die Mitarbeiter testen sich damit daheim, bevor sie sich auf den Weg in den Betrieb machen. Der Arbeitgeber kann aber auch nicht verhindern, dass die Tests für andere Familienmitglieder verwendet oder im Internet verkauft werden.
c) Aus den neuen Regelungen ergeben sich keine Änderungen im Hinblick auf ein etwaiges Kontroll- oder Fragerecht des Arbeitgebers bzw. eine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers, was das Testergebnis anbelangt. Im Regelfall wird der Arbeitgeber daher nicht berechtigt sein, den Arbeitnehmer nach dem Testergebnis zu fragen, geschweige denn die Durchführung des Tests zu kontrollieren. Der Verordnungsgeber geht offenbar davon aus, dass die Arbeitnehmer redlich und vernünftig genug sind, für den Fall eines positiven Testergebnisses die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.
d) Der Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, einen ihm zur Kenntnis gelangten positiven Test dem Gesundheitsamt zu melden. Ganz im Gegenteil drängt sich die Frage auf, ob eine solche Meldung datenschutzrechtlich überhaupt zulässig wäre. Der Arbeitgeber wäre daher – sofern er von einem positiven Selbsttest erfährt – darauf angewiesen, den Arbeitnehmer zur Selbstisolation und umgehenden Durchführung eines PCR-Tests zu drängen.
e) Naheliegender Weise wird der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mit einem positiven Selbsttest bis zur abschließenden Klärung der Situation den weiteren Zutritt zum Betrieb verwehren.
f) In Betrieben mit Betriebsrat stellt sich die Frage nach der Mitbestimmung. Ausgehend davon, dass der Arbeitgeber die Tests nur zur Verfügung stellt und keine Testpflicht anordnet werden keine Regeln zum Ordnungsverhalten der Mitarbeiter nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geschaffen. Es ist jedoch nicht ganz fernliegend, dass die Ausgestaltung der Zurverfügungstellung (welche Art von Test, welcher Anbieter, wo / wie läuft das konkret ab) als Frage des betrieblichen Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG Mitbestimmungsrechte auslöst. Ob hier tatsächlich ein Betriebsrat Mitbestimmungsbedarf sieht bleibt abzuwarten. Die Verpflichtung des Arbeitgebers entsteht jedenfalls ungeachtet einer etwaigen Mitbestimmungspflicht und den öffentlich-rechtlichen Pflichten aus der Verordnung wird der Arbeitgeber auch gerecht, wenn er diese ohne Beteiligung eines Betriebsrats erfüllt.
g) In den Medien wurde bereits behauptet, dass nunmehr auch der Arbeitgeber nach einem im Betrieb durchgeführten Selbsttest entsprechende Bescheinigungen ausstellen könne bzw. müsse. Wir halten das für abwegig. Abgesehen davon, dass die medizinische Aussagekraft eines solchen Selbsttests ob der diversen Fehlerquellen recht beschränkt ist, ist der Arbeitgeber weder in der Position, medizinische Bescheinigungen auszustellen (es sei denn, er ist im Ausnahmefall selbst Arzt etc.), noch hätte eine solche Bescheinigung irgendeinen Nachweiswert.
Vor diesem Hintergrund sehen wir viele Vorteile darin, die Testpflicht durch Vereinbarung mit einem entsprechenden Dienstleister und nicht durch Gestellung von Selbsttests zu erfüllen:
• Die Tests – soweit sie denn angenommen werden – kommen in diesem Fall ausschließlich den Mitarbeitern zu gute.
• Eine professionelle und fehlervermeidende Durchführung ist jedenfalls eher sichergestellt als bei Selbsttests.
• Den wahren Vorteil sehen wir beim Thema Dokumentation: der professionelle Dienstleister (Arzt, Apotheker, Testzentrum) ist nach § 8 IfSG verpflichtet, positive Tests an das Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt trifft dann die erforderlichen Maßnahmen. So ist jenseits einer etwaigen Anzeigepflicht des Arbeitnehmers und auch ohne ein Fragerecht des Arbeitgebers bemühen zu müssen sichergestellt, dass der positiv getestete Mitarbeiter die Kollegen nicht weiter gefährdet.
Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass bei diesem Ansatz etwas höhere Kosten entstehen als bei der Beschaffung von Selbsttests. Ob und wie sich die verschiedenen Varianten auf die Teilnahmebereitschaft der Arbeitnehmer auswirken werden bleibt abzuwarten.