Ein spektakuläres Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (1 Sa 664/14 Urteil vom 17.10.2014) hat in diesen Tagen die ohnehin bereits kontrovers geführte Debatte um die vorgebliche Ausbeutung der „Generation Praktikum“ befeuert. Arbeitgeber sollten allerdings vorsichtig sein hieraus falsche Schlüsse zu ziehen, die Entscheidung zeigt, dass es um einen eher seltenen Ausnahmefall ging.
Geklagt hatte eine 19jährige Hauptschulabsolventin, die im Oktober 2012 ein unentgeltliches Schnupperpraktikum bei der Firma Rewe begann. Dieses wurde immer wieder verlängert und im März 2013 vereinbarten die Parteien, dass die Praktikantin im September 2013 eine Ausbildungsstelle erhalten sollte. Im Juli 2013 beendete die Praktikantin den Vertrag jedoch und forderte anschließend Vergütung in Höhe von Euro 10,- für jede der von ihr geleisteten und akribisch notierten 1728 Arbeitsstunden. Das Arbeitsgericht Bochum sprach ihr in einer breit publizierten Entscheidung (die Rewe erhebliche Imageprobleme bereitete) 17000,- Euro zu, da ein Fall des Lohnwucher vorgelegen habe.
Das LAG Hamm war nunmehr anderer Meinung. Es wertete u.a. den Umstand, dass die Praktikantin bereits länger arbeitssuchend war, vor allem aber Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (Berufsausbildungsbeihilfe) und des Berufsbildungszentrums (Fahrtkosten) erhielt, als entscheidend. Weiter wies das Gericht darauf hin, dass die Maßnahme ohne die Kündigung sogar zu einer Lehrstelle geführt hätte.
Arbeitgeber, die hierin die Chance zu einer vermehrten Nutzung unbezahlter Praktika sehen sollten indes vorsichtig sein. Das Urteil des LAG Hamm hilft nur in den Fällen, in denen der Praktikant Sozialleistungen bezieht (also nicht gänzlich ohne finanzielle Entschädigung arbeitet) und eine klare Zielrichtung auf Ausbildung und Erwerb einer Lehrstelle gegeben ist. Die Dauer der zwischenzeitliche Praktika (geplant fast ein Jahr) ist dann, aber nur dann zweitrangig.
Damit steht das Urteil durchaus in einer Linie mit anderen Arbeitsgerichtsentscheidungen, nach denen zwar grundsätzlich in freiwilligen Praktika (die also nicht Teil eines schulischen oder universitären Ausbildungsplans sind) eine angemessene Vergütung zu zahlen ist, dies aber dann nicht gilt, wenn das Praktikum nur sehr kurz dauert oder der Praktikant nur bzw. überwiegend passiv beobachtend tätig ist und keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag leistet.
Arbeitgeber sind also gut beraten, Praktikanten in der Regel eine Vergütung zu zahlen (in vielen Fällen handels es sich ohnehin um verkappte Arbeitsverhältnisse), anderenfalls drohen – wie der Fall zeigt – beachtliche finanzielle und vor allem auch Imagerisiken.