Im Rahmen einer unternehmensübergreifenden Organisationsstruktur kann die Bestellung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern eines anderen Konzernunternehmens eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG darstellen.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte in einem Beschlussverfahren (LAG Baden-Württemberg vom 28.05.2014 – 4 TaBV 7/13) darüber zu befinden, ob die Übernahme von Führungsaufgabe in einem anderen als dem Arbeitgeberunternehmen im Rahmen einer Matrix-Organisation eine zustimmungsbedürftige Einstellung in dem Betrieb darstellt, in dem die unterstellten Mitarbeiter beschäftigt sind. Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Übernahme von Führungsfunktionen in aller Regel eine Eingliederung der Führungskraft in den Betrieb der ihm unterstellten Mitarbeiter bedeutet und somit eine zustimmungsbedürftige Einstellung ist.
Im zu Grunde liegenden Fall waren die Führungsstrukturen von den Unternehmensgrenzen losgelöst in einer Matrix organisiert. Die Mitarbeiter blieben dabei grundsätzlich ihren jeweiligen Standort-Betrieben zugehörig, arbeiteten aber unternehmensübergreifend in Projekten und sog. Service Lines zusammen. Dazu wurde der Führungskraft die Weisungsbefugnis über Mitarbeiter eines anderen Unternehmens innerhalb des Konzerns im Rahmen eines weiteren (unbezahlten) Arbeitsverhältnisses übertragen. Die tatsächliche Führung übte die Führungskraft nicht direkt vor Ort sondern im Wesentlichen per Telefon, E-Mail und Internet aus.
Der Betriebsrat des Unternehmens, in welchem die unterstellten Mitarbeiter beschäftigt waren, machte eine Verletzung seiner Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG geltend, da er hinsichtlich der Übertragung der Führungsfunktion lediglich informiert wurde. Nach Auffassung des Betriebsrates handelt es sich bei der Übertragung der Führungsfunktionen aber um eine zustimmungsbedürftige Einstellung, bei der er ggfls. ein Zustimmungsverweigerungsrecht habe.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab dem Betriebsrat Recht. Eine Einstellung setze nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass ein Arbeitsverhältnis des einzustellenden Arbeitnehmers zum Betriebsinhaber bestehe und dass der Arbeitnehmer innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringt. Eine Tätigkeit am Ort und innerhalb des Betriebes setzt § 99 BetrVG jedoch nicht voraus. Das Gericht ließ es hinsichtlich der organisatorischen Eingliederung genügen, dass die Führungskraft das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs ausübt. Damit diene sie dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebes und sei auch organisatorisch eingegliedert.
Die Entscheidung ist nach dem Einstellungsbegriff des BetrVG konsequent: Es lag ein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen, dessen Arbeitnehmer geführt werden sollten vor und die Ausübung der Weisungsbefugnis führte zu einer tatsächlichen organisatorischen Eingliederung.
Ob der Abschluss des zweiten Arbeitsvertrages für die Übertragung von Führungsfunktionen grundsätzlich nötig ist und ob ohne einen solchen die Entscheidung anders ausgefallen wäre, konnte das Gericht offen lassen. Vorliegend hatte sich das Unternehmen gegenüber dem Gesamtbetriebsrat zum Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrages in derartigen Fällen verpflichtet. Im Regelfall wird es in der Praxis an einem solchen zweiten Arbeitsverhältnis der Führungskraft fehlen. Richtigerweise ist eine solche Konstruktion zur Übertragung von Führungsaufgaben auch nicht erforderlich und angesichts der vorliegenden Entscheidung auch zu vermeiden. Die Aufspaltung von Arbeitgeberfunktionen innerhalb eines Unternehmens ist unbestritten anerkannt. Der Arbeitgeber kann seine Weisungsbefugnisse an Vertreter delegieren. Eine Übertragung von Arbeitgeberfunktionen auf Führungskräfte eines Konzernunternehmens muss ebenso möglich sein.
Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Entscheidung die Position von Betriebsräten in unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen erheblich stärkt. Dies dürfte insbesondere auch in internationalen Kontext relevant werden, da der Einsatz von Vorgesetzten, die bei ausländischen Konzerngesellschaften angestellt sind, von Betriebsräten regelmäßig besonders kritisch gesehen wird. Arbeitgeber sollten daher, soweit möglich, von einem zusätzlichen Arbeitsvertrag absehen, um Verzögerungen durch die Mitbestimmung des Betriebsrats und andere, mit einem zweiten Arbeitsverhältnis verbundene Komplikationen zu vermeiden.