Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Nun also doch? – Die e-AU kommt

Seit der Gesetzgeber mit dem „dritten Bürokratieentlastungsgesetz“ im Jahr 2019 die Weichen für die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gestellt hatte ist reichlich Zeit vergangen. Technische Schwierigkeiten in der Umsetzung und eine partielle Blockadehaltung der Kassenärzte haben ihren Teil dazu beigetragen, dass der Startzeitpunkt mehrfach verschoben wurde. Nach aktuellem Stand soll die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum 01.01.2023 nun verpflichtend eingeführt werden.

Für Arbeitgeber führt dies an vielen Stellen wohl eher zu einer Bürokratievermehrung denn zu einer Bürokratieentlastung: Während Versicherte gesetzlicher Krankenkassen in Zukunft ihre Arbeitsunfähigkeit nur noch mittels e-AU nachweisen können und müssen, bleibt bei privatversicherten, Auslandssachverhalten und bei „Kind krank“ alles beim Alten. Das bedeutet, dass Arbeitgeber dauerhaft zwei Systeme parallel handhaben müssen.

Bei den kassenversicherten Arbeitnehmern besteht die große Veränderung darin, dass diese künftig bei ihrem Arztbesuch keinen „gelben Schein“ mehr erhalten und auch nicht mehr verpflichtet sein werden, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen. Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer müssen sich nur noch zwecks Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zum Arzt begeben. Der Arzt meldet die Arbeitsunfähigkeit digital an die Krankenkasse. Danach obliegt es dem Arbeitgeber, per Einzelabruf bei der jeweiligen Krankenkasse die e-AU selbst abzurufen. Eine automatische Übermittlung an den Arbeitgeber ist nicht vorgesehen. Dies begründet für jeden Arbeitgeber ein völlig neues Betätigungsfeld:

• Es müssen die technischen Einrichtungen beschafft und in Betrieb genommen werden, um den Abruf elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu ermöglichen bzw. es sind Verträge mit externen Lohnabrechnern etc. zu schließen, die diese Arbeit für die Arbeitgeber übernehmen.
• Die internen Abläufe sind so umzugestalten, dass ein rechtzeitiger und gesetzeskonformer Abruf der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stattfinden kann.
• Das in Betracht kommende Personal ist entsprechend zu schulen.
• In größeren Einheiten ist unter Umständen sogar zusätzliches Personal zur Administration dieser Vorgänge einzustellen.

Die Hoffnung vieler Arbeitgeber, das mit der Digitalisierung der Arbeitsunfähigkeitsmeldung auch ein Gewinn im Hinblick auf Wahrheitsgehalt und der Richtigkeitsgewähr der AU-Bescheinigungen – insbesondere bei der zwischen neuer Ersterkrankung und Folgebescheinigung – einhergehen würde, wird dabei weitgehend enttäuscht. Zwar sieht das Gesetz künftig vor, das die Krankenkasse dem Arbeitgeber automatisiert Meldung zu machen hat, wenn aufgrund der bei ihr vorliegenden Datenlage eine Zusammenrechnung mehrerer Krankheitssachverhalte anzunehmen ist. Dies ist erfreulich, wird aber nur einen kleinen Teil der typischen Problemfälle lösen.

Die klassischen Fälle, in denen Ärzte – in vielen Fällen mutmaßlich auch ohne böse Absicht – rechtlich fehlerhafter Weise neue „Erstbescheinigungen“ ausstellen, obwohl im Sinne der durch die Rechtsprechung gefestigten Fallgruppen tatsächlich eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, die gerade keine neue Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers auslöst, werden durch die neue Form der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jedenfalls nicht aufgedeckt werden. Zu nennen sind hier insbesondere:

• die Verklammerung mehrerer Einzelerkrankungen durch ein Grundleiden zu einem einheitlichen Krankheitsfall im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts,
• der „untaugliche Arbeitsversuch“ zwischen mehreren Krankheitsphasen, oder
• die häufig unerkannt bleibende Fallgruppe der „Einheit des Verhinderungsfalls“.Will der Arbeitgeber sich davor schützen, in den falschen Fällen zu viel Entgeltfortzahlung zu leisten, wird der

Arbeitgeber diese Fälle – wie bisher auch schon – selbst aufspüren müssen. Hilfe von außen ist nicht zu erwarten. Das bedeutet natürlich zunächst, dass der Arbeitgeber die Besonderheiten dieser Fallgruppen selbst kennt. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Fällen, in denen der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund von Gegebenheiten außerhalb der Bescheinigung selbst erschüttert ist.

Wir empfehlen, alsbald die nötigen Weichenstellungen vorzunehmen, um für die bevorstehende Umstellung auf die e-AU gerüstet zu sein.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Identifikation und Umsetzung der hierfür notwendigen Maßnahmen. Für eine erste Orientierung bieten wir Ihnen ein kostenloses live-Webinar am 7. Dezember 2022 an.