Der marokkanische Fußball-Nationalspieler und Verteidiger des FC Bayern Mazraoui teilte über Instagram einen kurzen Clip, in dem eine Stimme im Stil eines Gebets sagt: „Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen. Möge Gott den Toten Gnade schenken, möge Gott ihre Verwundeten heilen.“ Im Bild ist eine wehende Flagge der palästinensischen Gebiete zu sehen. Dazu schrieb Mazraoui in dem Eintrag „Ameen“ (Amen), daneben ein Emoji mit gefalteten Händen.
Sofort entbrannte eine heftige Diskussion. Politiker, Journalisten und Teile der Öffentlichkeit forderten eine sofortige Ausweisung, mindestens aber die fristlose Kündigung des Spielers durch den Verein. Ein Politiker stellte sogar einen Strafantrag, während der Arbeitgeber nach einem Gespräch mit dem sich einsichtig zeigenden Angestellten von weiteren Maßnahmen absah.
In einem Parallelfall kündigte der Verein Mainz 05 einem weniger bekannten Spieler, nachdem dieser sich nach einer Abmahnung zunächst von seinem Statement distanzierte, die Äußerung anschließend aber bekräftigte.
Wie aber stellt sich in derartigen Fällen die arbeitsrechtliche Situation dar? Dies dürfte weit über den prominenten Einzelfall hinaus von Bedeutung sein, betrachtet man Demonstrationen und Äußerungen in sozialen Medien. Viele Demonstranten und Forenteilnehmer sind Arbeitnehmer eines Unternehmens in Deutschland.
Dabei sollen aufenthaltsrechtliche Aspekte außer Betracht bleiben. Strafrechtlich relevante Äußerungen sind allerdings auch arbeitsrechtlich von Bedeutung, hierzu existiert zahlreiche Rechtsprechung auch der Arbeitsgerichte zu Äußerungen, die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten (Beispiele: „Ausländer und auch Türken müsste man verbrennen“, „Ein toter Türke – ein guter Türke“ oder das Absingen eines Liedes mit dem Titel „Auschwitz wir kommen“). Nicht immer muss aber diese Schwelle überschritten sein, um arbeitsrechtlich reagieren zu können.
Meinungsfreiheit und Rücksichtnahme im Betrieb
Wie weit die Meinungsäußerungsfreiheit der Arbeitnehmer im Betrieb reicht, hat die Rechtsprechung in zahlreichen Entscheidungen herausgearbeitet. Arbeitnehmer können an anderen Betriebsangehörigen und an den betrieblichen Verhältnissen auch mit überspitzten und ausfälligen Äußerungen im Betrieb Kritik üben und auch politische Ansichten vertreten und diskutieren. Die Grenze zu einer unzulässigen Äußerung ist erst erreicht, wenn die Meinungsfreiheit in der konkreten Situation nach einer Abwägung der auf beiden Seiten betroffenen Grundrechte zurücktreten muss. Einer Abwägung bedarf es insbesondere dann nicht, wenn sich die Äußerung als Schmähkritik oder Formalbeleidigung erweist oder die Menschenwürde einer bestimmten Person antastet. Hierum geht es in der aktuellen Diskussion und im Fall Mazraoui aber nicht. Die politische Äußerung wurde weder im Betrieb oder im betrieblichen Zusammenhang getätigt, noch richtete sie sich gegen einen oder mehrere andere Betriebsangehörige.
Außerdienstliche Äußerungen, vor allem in sozialen Netzwerken
Außerdienstliche Äußerungen genießen grundsätzlich den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit. Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht kann aber dann verletzt sein, wenn die außerdienstliche Äußerung negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers im Rahmen einer Abwägung überwiegen.
Bezug zum Arbeitsverhältnis
Als entscheidend wird angesehen, ob trotz einer an die Öffentlichkeit gerichteten außerdienstlichen Erklärung ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht. Wird der Bezug zum Arbeitsverhältnis dagegen nicht durch den Arbeitnehmer, sondern erst durch eine Berichterstattung der Medien hergestellt, so geht dies nicht zulasten des Arbeitnehmers, wenn eine solche Berichterstattung für ihn nicht vorhersehbar war.
Macht ein Arbeitnehmer in seinem Nutzerkonto allerdings konkrete Angaben zu seinem Arbeitgeber oder veröffentlicht er zum Beispiel ein Foto in Dienstkleidung des Arbeitgebers, stellt er den Bezug zum Arbeitsverhältnis selbst her.
Hier wird der Fall Mazraoui spannend. Es ist relativ eindeutig, dass der Spieler mit einer breiten öffentlichen Wahrnehmung seines Statements rechnen musste, vielleicht sogar darauf abzielte. Es war jedenfalls für Herrn Mazraoui vorhersehbar, dass sein Posting mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht würde. Damit ist der Bezug zum Arbeitgeber gegeben.
Auch wenn dies ein Störgefühl hervorruft, gibt es für Prominente somit andere Grenzen bei der Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung als für nicht prominente Arbeitnehmer. Ihr Arbeitgeber (oder auch Auftraggeber) wird in aller Regel nicht nur auf die Veröffentlichung aufmerksam, sondern sogar von Medien und Konsumenten darauf angesprochen. Hier realisiert sich ein potentieller Ansehensverlust, der zu erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen führen kann, z.B. bei einem Boycottaufruf (solange sich der Arbeitgeber nicht distanziert oder den Mitarbeiter gar kündigt).
Anders wird sich die Situation bei „normalen“ Arbeitnehmern darstellen, die der breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Fraglich ist aber, wo die Grenze verläuft, reicht es z.B. schon aus, wenn es sich um den Betriebsratsvorsitzenden handelt, der sich in sozialen Medien äußert oder sogar nur auf einem Foto oder Video von einer Demonstration zu erkennen ist. Im Zweifel ist mindestens die Betriebsöffentlichkeit schnell hergestellt, da Arbeitskollegen untereinander häufig als „Kontakt“ oder „Freund“ verbunden sind.
Beeinträchtigung des Betriebsfriedens oder ruf- und geschäftsschädigend
Öffentliche Äußerungen mit dem beschriebenen Bezug zum Arbeitsverhältnis können – auch wenn sie grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sind – gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis verstoßen oder den Betriebsfrieden stören. In beiden Fällen kann der Arbeitgeber arbeitsrechtlich reagieren.
Mit der Rücksichtnahmepflicht ist es insbesondere nicht vereinbar, wenn öffentliche Äußerungen des Arbeitnehmers ruf- und geschäftsschädigend für den Arbeitgeber wirken können.
Der Betriebsfrieden kann dann gestört sein, wenn, z.B. wie im Fall des FC Bayern oder Mainz 05, Beschäftigte anderer Religion und Nationalität im Betrieb beschäftigt sind und durch die Äußerungen ein aufgeladenes Betriebsklima entsteht.
Ausweg Social Media Policy ?
Eine spannende Frage für die Praxis ist, inwieweit der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, derartige Äußerungen zu verhindern oder zumindest seine rechtliche Position gegenüber dem Mitarbeiter zu verbessern.
Zu denken ist insoweit insbesondere an eine Richtlinie oder Betriebsvereinbarung zur Nutzung sozialer Medien. Darin sollte neben einigen Grundsätzen der öffentlichen Kommunikation klargestellt werden, dass bei politischen Äußerungen in sozialen Medien kein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt werden darf, nicht einmal durch die Angabe des aktuellen Beschäftigungsstatus. Ganz im Gegenteil sollte jeder Mitarbeiter verpflichtet werden, für derartige Äußerungen ausschließlich private Profile zu nutzen.
Unternehmen sollten in jedem Fall ihre Richtlinie überprüfen oder – soweit noch nicht vorhanden – eine einheitliche Regelung im Betrieb schaffen.
Ermahnung, Abmahnung oder Kündigung ?
Die arbeitsrechtlichen Maßnahmen in diesem Kontext folgen daneben den bekannten Leitlinien. Es ist eine Abwägung der Interessenlage vorzunehmen, dabei ist ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer regelmäßig sinnvoll. Auch das regelmäßige Erfordernis einer Abmahnung vor einer Kündigung ist zu beachten. Schließlich ist das Arbeitsrecht wesentlich zukunftsbezogen und nur bei einer evidenten Wiederholungsgefahr mit drohenden erheblichen Schäden für das Unternehmen ist eine Trennung zu rechtfertigen.
Dabei wird – und hier schließt sich der Kreis zum Fall Mazraoui – auch die Bedeutung des Mitarbeiters für das Unternehmen nicht ohne Einfluss sein. Wer nur einen Rechtsverteidiger (Experten, Facharbeiter) hat, wird diesen nur im äußersten Notfall entlassen.