Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Gesetzentwurf zur Lohngerechtigkeit – Neue Belastungen für Arbeitgeber

2016 verspricht ein interessantes Jahr im Arbeitsrecht zu werden. Nur wenige Tage nach der Vorstellung eines Entwurfs zur Neuregelung bei der Zeitarbeit und zur Abgrenzung von Dienst- und Werkverträgen und Arbeitsverhältnissen (der allerdings mittlerweile zurückgezogen wurde und im Januar neu diskutiert werden wird) liegt nunmehr der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zur Lohngerechtigkeit vor. Zudem kündigte die Bundesregierung an, das Teilzeitrecht weiter zu entwickeln und einen Anspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit in die Vollzeit zu schaffen.

I. Kernelemente des Gesetzes zur Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern

Ausgehend von der Analyse, dass trotz bereits bestehender Verpflichtungen zur Schaffung von Lohngerechtigkeit insbesondere durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nach wie vor Unterschiede bei der Entlohnung zwischen Frauen und Männern bestehen, ist bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ besser zur Geltung gebracht werden soll.

Dieser Zielsetzung folgend enthält der Entwurf vier Kernelemente:

1. die Bündelung und Definition wesentlicher Grundsätze und Begriffe zum Gebot der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern bei gleicher und gleichwertiger Arbeit,

2. die Einführung eines individuellen Auskunftsanspruchs für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

3. die Einführung verbindlicher Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit im Betrieb sowie

4. die Einführung einer Berichtspflicht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit für Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten.

II. Individueller Auskunftsanspruch

Kernelement des Gesetzesentwurfes ist der in § 10 vorgesehene individuelle Auskunftsanspruch für Beschäftigte. Danach können Beschäftigte zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots von ihrem Arbeitgeber Auskunft verlangen über:

1. die Kriterien für die Festlegung des eigenen Entgelts,

2. die Kriterien und Verfahren für die Festlegung des Entgelts einer gleichen Tätigkeit und deren Entgeltgruppe oder einer gleichwertigen Tätigkeit, die überwiegend von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird (mindestens 60 %), und deren Entgeltgruppe,

3. den statistischen Median des monatlichen Entgelts einer Gruppe von mindestens 5 Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit nach Nr. 2 ausüben.

Im Falle eines Auskunftsverlangens hat der Arbeitgeber innerhalb von einem Monat in Textform die gewünschten Auskünfte zu erteilen, dabei ist der Datenschutz der anderen Arbeitnehmer zu wahren. Eine Nichterfüllung der Auskunftspflicht oder eine offensichtliche Unvollständigkeit der Antwort führt dazu, dass eine Benachteiligung in Bezug auf das Entgelt vermutet wird. Dann trägt der Arbeitgeber im Streitfall die
Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot
vorgelegen hat.

Das Auskunftsverlangen kann, sofern sich die Tätigkeit nicht ändert, alle zwei Jahre gestellt werden, die Auskünfte sind zeitgleich auch dem Betriebsrat zuzuleiten.

Ergibt sich eine Entgeltungleichheit enthält § 7 des Gesetzes einen Erfüllungsanspruch. Danach hat der Beschäftigte gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung des Entgeltes, dass zu zahlen gewesen wäre, wenn keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorgelegen hätte. Diese Geltendmachung kann im Rahmen der regulären drei-jährigen Verjährungsfrist erfolgen, nach dem Gesetzentwurf sollen kollektiv oder individualvertraglich geregelte Ausschlussfristen nicht zur Anwendung kommen.

Flankiert wird der Auskunftsanspruch von einem Verbot, in den Arbeitsvertrag eine Verschwiegenheitsklausel hinsichtlich des Arbeitsentgeltes aufzunehmen.

Trotz der Absicht des Gesetzes durch Definitionen eine leichtere Handhabung zu gewährleiten, sind zahlreiche Streitfragen, z.B. zur Gleichwertigkeit vorprogrammiert.

III. Neue Pflichten zur Stellenausschreibung und neue Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Das Gesetz enthält weiter eine Verpflichtung für den Arbeitgeber, in der Ausschreibung für Arbeitsplätze das durch Gesetz oder kollektivvertragliche Regelungen zu zahlende Mindestentgelt anzugeben. Darüber hinaus hat er anzugeben, ob und inwieweit er bereit ist, ein höheres Entgelt zu zahlen.

Die erweiterten Rechte des Betriebsrats betreffen unter anderem ein Recht auf Einzelfallprüfung der Eingruppierung von Beschäftigten. Selbst wenn kein individueller Auskunftsanspruch geltend gemacht wird, muss der Arbeitgeber aufgrund einer entsprechenden Forderung des Betriebsrats eine analoge Prüfung vornehmen und entsprechende Auskünfte erteilen. Zudem wird in dem Katalog der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein neuer Tatbestand „Durchführung von Maßnahmen im Sinne der Nummern 10 und 11 zur Durchsetzung der tatsächlichen Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“ eingeführt.

Sanktioniert werden Gesetzesverstöße (abgesehen von dem individuellen Anpassungsanspruch) durch einen Verweis auf 23 Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, danach kann der Betriebsrat gerichtlich die Festsetzung von Verhaltenspflichten unter Androhung von Ordnungsgeldern bewirken.

IV. Verbindliches Verfahren zur Prüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit

Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten haben in einem betrieblichen Prüfungsverfahren, das von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zertifiziert werden muss, ihre Entgeltbestandteile und –bedingungen auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebotes zu überprüfen. Diese Prüfung erfolgt alle drei Jahre (bzw. bei tarifgebundenen Unternehmen alle 5 Jahre). Das Verfahren erscheint sehr komplex und umfasst

1. die Bestandsaufnahme der betrieblichen Entlohnungspraxis und ihre Analyse,

2. die Erstellung eines Ergebnisberichts,

3. eine nachvollziehbare Dokumentation der Verfahrensschritte und der Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens, sowie

4. die betriebsinterne Veröffentlichung des Ergebnisses durch Aushang.

Benachteiligungen, die sich nach dem Prüfbericht ergeben, sind unverzüglich zu beseitigen, der Betriebsrat hat insoweit Überwachungs- und Kontrollrechte.

Darüber hinaus müssen Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten einen Bericht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit im Unternehmen errstellen und veröffentlichen.

Obgleich zunächst nur Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten angesprochen sind, eröffnet § 19 Abs. 4 des Gesetzes für Betriebe mit Betriebsrat einen weiteren Weg zu einer Verpflichtung der Durchführung eines Prüfverfahrens. Hat auch nur ein individuelles Auskunftsverlangen eine Benachteiligung eines Mitarbeiters ergeben, das auf strukturelle Probleme hinweist oder gab es mehrere voneinander unabhängig individuelle Auskunftsverlangen mit objektivem Anhaltspunkt für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung, kann der Betriebsrat die Durchführung eines betrieblichen Prüfverfahrens auch in kleineren Unternehmen verlangen.

V. Ausblick

Obgleich es sich bislang lediglich um den Referentenentwurf des Gesetzes handelt, der naturgemäß im Gesetzgebungsprozess noch verändert werden kann, dürften die Grundzüge schon aufgrund der Festlegungen des Koalitionsvertrages bestehen bleiben. Es ist somit damit zu rechnen, dass im Verlauf des Jahres 2016 erheblicher Anpassungsbedarf in Unternehmen entsteht.

Unternehmen sind daher gut beraten ihre Entgeltsysteme schon jetzt eingehend daraufhin zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine geschlechterbezogene Entgeltungleichheit besteht. Die ansonsten drohenden individuellen Auskunftsverfahren sowie betrieblichen Prüfverfahren werden nicht nur erheblichen bürokratischen Aufwand bedeuten, sondern können vor allem auch zu nicht unerheblichen finanziellen Konsequenzen bei Anpassungsbedarf führen.