Geschäftsführer sind keine Arbeitnehmer, sie genießen nicht den Schutz des Arbeitsrechts. Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen und der Gesellschaft werden von den Zivilgerichten entschieden.
Diese ehernen Grundsätze des deutschen Zivilrechts geraten zunehmend ins Wanken. Zwei neue Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22.10.2014 und vom 3.12.2014 (10 AZB 46/14 und 10 AZB 98/14) zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bestätigen die aktuellen Tendenzen.
In den Entscheidungen ging es um die Zuständigkeit der angerufenen Arbeitsgerichte. In dem einen Fall war ein GmbH Geschäftsführer abberufen worden, zugleich wurde der Dienstvertrag (mit langer Kündigungsfrist) gekündigt. In dem anderen Sachverhalt hatte der Geschäftsführer einer GmbH sein Amt wirksam niedergelegt. Beide Geschäftsführer behaupteten in ihrer Klage tatsächlich als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen zu sein. In beiden Fällen bestätigte das BAG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, da die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (wonach die Arbeitsgerichte für Organvertreter nicht zuständig sind) ende, wenn dem Geschäftsführer die Abberufung mitgeteilt wurde bzw. dieser sein Amt wirksam niedergelegt habe. In Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung ging das BAG sogar so weit festzustellen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Klagezustellung ankomme, sondern auch spätere Entwicklungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Streits für die Zuständigkeit zu berücksichtigen sind. Zur Begründung führt das BAG u.a. aus, dass ansonsten die Möglichkeit der Manipulation für das Unternehmen bestehe. Dieses könnte durch ein Hinausschieben der Abberufungsentscheidung eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch in den Fällen ausschließen, in denen unzweifelhaft ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Zudem werde bei mehreren Kündigungen vor und nach der Abberufung eine Aufspaltung des Rechtsweges vermieden.
Diese Entscheidungen bedeuten, dass im Regelfall § 5 ArbGG kein Hindernis für eine arbeitsgerichtliche Entscheidung mehr darstellt. In der Praxis erfolgt fast immer noch vor oder zeitgleich mit der Kündigung des Dienstvertrages eine Abberufung. Ist dies der Fall kann der Geschäftsführer allein mit einem schlüssigen Vortrag, es habe ein Arbeitsverhältnis vorgelegen, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschreiten.
Warum sollte er dies aber tun? Hierfür sprechen u.U. eine Reihe von Argumenten, nicht zuletzt die geringeren Kosten eines Arbeitsgerichtsverfahrens, wo in erster Instanz nicht einmal ein Anwalt benötigt wird und die Kosten der Gegenpartei auch bei Unterliegen nicht zu erstatten sind. Auch dauert ein Arbeitsgerichtsprozess oft weniger lang als ein Verfahren vor dem Landgericht. Es lässt sich also schneller ein Titel erwirken (auch wenn dies – noch – nicht für alle Anspruche gilt).
Der wichtigste Aspekt (bzw. die Gefahr aus Sicht des Unternehmens) liegt jedoch darin, dass auch materiell-rechtlich Arbeitsrecht zur Anwendung kommen könnte. Mit dem vom BAG in der ersten Entscheidung benannten Argument, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegen könnte, hat ein Geschäftsführer derzeit sogar ausschließlich vor den Arbeitsgerichten Erfolgsaussichten. Der Bundesgerichtshof lehnt diese Auffassung nämlich in ständiger Rechtsprechung strikt ab und geht davon aus, dass es sich bei einem Dienstvertrag eines Geschäftsführers nie um einen Arbeitsvertrag handeln kann.
Dies wird vom BAG, aber auch vom Bundessozialgericht und dem Europäischen Gerichtshof anders gesehen. Abgesehen von den Fällen eines Altvertrages (vorheriger Arbeitsvertrag vor Bestellung zum Geschäftsführer), der u.U. nicht ordnungsgemäß beendet wurde, kann in Ausnahmefällen (so das BAG) auch in einem Dienstvertrag ein Arbeitsvertrag zu sehen sein. Dies könne insbesondere bei in hohem Maße weisungs- und wirtschaftlich abhängigen Geschäftsführern geboten sein. Es sei jedenfalls immer eine Würdigung des Einzelfalles vorzunehmen.
Dabei ist nicht zu verkennen, dass sich in der Praxis die Fälle mehren, in denen vor allem bei Geschäftsführern von Tochtergesellschaften einer ausländischen Mutter die Kompetenzen extrem eingeschränkt werden und kein echter Handlungsspielraum besteht. In solchen Fällen liegt die Annahme eines „Ausnahmefalles“ jedenfalls nicht fern.
Der EuGH wendet für das dem Europarecht unterliegende Arbeitsrecht einen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff an und hat so z.B. der Geschäftsführerin eines finnischen Unternehmens (mit GmbH ähnlicher Struktur) Kündigungsschutz wegen Schwangerschaft gewährt.
Die vermehrte Anwendung des Arbeitsrechts auf GmbH Geschäftsführer hätte weitreichende Auswirkungen vom Kündigungsschutz über die Befristungskontrolle bis hin zum AGB Recht und zum AGG.
Aus Sicht der Unternehmen könnte sich so bald häufiger die Frage stellen, wie ein derartiges Risiko vermieden werden kann. Nur selten wird in Betracht kommen die Abberufung trotz erfolgter Kündigung herauszuschieben. Einer Kündigung mit Freistellung unter Fortbestand der Organstellung begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken angesichts der dann nach außen weiterhin bestehenden Verantwortung und Haftung des Geschäftsführers. In jedem Fall ratsam sind eine sorgfältige Vertragsgestaltung und die entsprechende Handhabung des Vertrages hinsichtlich der Kompetenzen des Geschäftsführers. Eine zu kurze Leine könnte sich jedenfalls als rechtlicher Bumerang erweisen.