Wie wir bereits berichteten (Newsletter) ist Deutschland bereits seit dem 17. Dezember letzten Jahres verpflichtet, die Hinweisgeberschutzrichtlinie der EU umzusetzen. Lag dazu bislang nur ein vorläufiger Referentenentwurf vor, hat das Bundeskabinett nunmehr recht überraschend noch vor der Sommerpause am 27.07.2022 einen überarbeiteten Entwurf verabschiedet.
Dieser wird nunmehr zu Beratung und Beschlussfassung an den Bundesrat und den Bundestag weitergeleitet. Zwar sind kleinere Korrekturen nicht ausgeschlossen, jedoch sind wesentliche Inhalte durch die Richtlinie und den Entwurf des Bundeskabinetts vorgezeichnet. Sofern eine Beschlussfassung noch im September erfolgt, kann das Gesetz spätestens Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.
Die wichtigsten Regelungen
Interne Meldestellen
In der Öffentlichkeit meistdiskutiert wurde die neu eingeführte Verpflichtung zur Schaffung von Meldestellen, die für Hinweise auf Fehlverhalten zur Verfügung stehen sollen. Nach den Richtlinienvorgaben sind hinweisgebende Personen frei darin, für ihre Meldung die internen oder die neu auf Bundesebene einzurichtende externe Stelle zu wählen. Interne und externe Meldestellen sollen eingegangene Hinweise prüfen und die erforderlichen Folgemaßnahmen treffen.
Beschäftigungsgeber müssen interne Meldestellen einrichten, an die sich Beschäftigte wenden können, sofern sie in der Regel mindestens 50 Personen beschäftigen.
Allerdings wird Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten für die Einrichtung interner Meldestellen bis zum 17.12.2023 Zeit gegeben. Zudem können sie mit anderen Unternehmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle betreiben.
Die Einrichtung von internen Meldestellen soll Unternehmen auch dadurch erleichtert werden, dass Dritte als interne Meldestellen beauftragt werden können oder diese innerhalb des Konzerns zentral bei der Konzernmutter angesiedelt werden können. Die Zulässigkeit einer Zentralisierung ist auf europäischer Ebene umstritten.
Wer kann was melden?
Der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes soll entsprechend den Richtlinienvorgaben weit gefasst werden und umfasst alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Dies können neben Arbeitnehmer/innen u.a. auch Selbstständige, Anteilseigner/innen oder Mitarbeiter/innen von Lieferanten sein.
Der sachliche Anwendungsbereich greift die durch die Richtlinie vorgegebenen Rechtsbereiche auf und ergänzt sie, wo dies nach Ansicht der Bundesregierung erforderlich ist, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. So sollen in den Anwendungsbereich insbesondere alle Verstöße einbezogen werden, die strafbewehrt sind, sowie bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.
Zudem erweitert das Hinweisgeberschutzgesetz seine Geltung auf nationale Vorschriften aus den in der Richtlinie benannten europäischen Regelungsbereichen. So werden z.B. auch Verstöße gegen deutsche Kartellrechtsvorschriften erfasst.
Anonyme Meldungen
Ein wesentlicher Kritikpunkt an dem ursprünglichen Referentenentwurf war der explizite Ausschluss der zwingenden Berücksichtigung anonymer Meldungen. Danach dürfen die zur Einrichtung von Meldestellen Verpflichteten frei darüber entscheiden, ob sie die Abgabe und Bearbeitung anonymer Meldungen ermöglichen. Dabei bleibt es grundsätzlich. Allerdings sollten – und dies ist neu gegenüber dem Referentenentwurf – interne und externe Meldestellen – soweit hierzu nicht bereits eine spezialgesetzliche Regelung existiert – auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Dadurch darf aber die vorrangige Bearbeitung namentlicher Meldungen nicht gefährdet werden.
Ohnehin fallen auch anonyme Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber unter die Schutzbestimmungen des Hinweisgeberschutzgesetzes, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird.
Schutz vor Repressalien/Schadensersatz
Zentrales Element des Hinweisgeberschutzes ist das Verbot von Repressalien gegen hinweisgebende Personen. Zu Repressalien in diesem Sinne zählen alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielsweise Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet.
Um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien zu verbessern, enthält der Gesetzesentwurf in Umsetzung der Richtlinie eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person.
Der Entwurf enthält zudem zwei besondere Schadensersatzvorschriften:
Zum einen ist der hinweisgebenden Person bei einer erlittenen Repressalie der aus der Gesetzesverletzung entstehende Schaden zu ersetzen.
Andererseits ist bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet.
Sanktionsvorschriften
Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des Gesetzes können als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet werden. Dies gilt beispielsweise für die Behinderung von Hinweisgebern oder Repressalien, andererseits aber auch für die Mitteilung wissentlich unrichtiger Informationen.
Ausblick
Wir werden das Gesetzgebungsverfahren in den nächsten Wochen beobachten. Sobald der finale Entwurf vorliegt, werden wir in einer Informationsveranstaltung im Detail über die für Deutschland neuen Anforderungen berichten.