Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Warum Sie Arbeitsverträge schon immer per E-Mail schließen konnten, es aber nie gemacht haben – Das Nachweisgesetz und die Schriftform

Seit der Neufassung des Nachweisgesetzes im Jahr 2022 stehen gesetzestreue Arbeitgeber vor der Herausforderung, dass die dort nunmehr sehr umfangreich geregelten Nachweispflichten sowohl bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses als auch bei Änderungen wesentlicher Arbeitsbedingungen ausschließlich in Schriftform erfüllt werden können. Dieses strikte Formerfordernis empfinden viele Rechtsanwender als völlig überzogen. Zumal die europäische Nachweisrichtlinie, die die Grundlage für die Neufassung des Nachweisgesetzes bildete, die Textform ausdrücklich zugelassen hätte. Dass der Gesetzgeber stattdessen die strenge Schriftform verlangt, führte schon im Gesetzgebungsverfahren zu heftigen Kontroversen. Mit dem aktuell im Bundeskabinett diskutierten vierten Bürokratieentlastungsgesetz scheint nun Bewegung in die Sache zukommen.

I.

Der ursprüngliche Entwurf dieses Gesetzes sah bereits vor, dass die Nachweispflichten auch in digitaler Form – nämlich durch qualifiziert elektronisch signierte Dokumente im Sinne von § 126 a BGB – erfüllt werden können. Der praktische Nutzen dieser Erleichterung wäre allerdings für viele Arbeitgeber sehr überschaubar geblieben.

Im Rahmen der letzten Beratung des Bundeskabinetts zum Entwurf des vierten Bürokratieentlastungsgesetz hat man sich laut eines in Auszügen veröffentlichten Schreibens des Bundesjustizministers nun darauf verständigt, dass die Nachweispflichten aus dem Nachweisgesetz künftig auch in Textform im Sinne von § 126 b BGB erfüllt werden können. Eine konkrete Formulierung für die Neufassung ist zwar noch nicht bekannt und mit welchem Inhalt dieser Gesetzentwurf letztlich das parlamentarische Verfahren überstehen wird ist derzeit völlig spekulativ. Es besteht aber zumindest die Hoffnung, dass der Gesetzgeber in naher Zukunft die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Nachweispflichten aus dem Nachweisgesetz „in Textform“, also unter anderem auch per einfacher E-Mail erfüllt werden können. Dies wäre dann wohl ein echter Beitrag im Sinne der Bürokratieentlassung.

II.

Diese – durchaus erfreuliche – aktuelle Entwicklung und die hierzu in den letzten Tag veröffentlichten Beiträge lenken jedoch von ganz wichtigen – auch künftig fortbestehenden – Formerfordernissen ab. So kann man derzeit in aktuellen Beiträgen Überschriften finden wie: „Arbeitsverträge können künftig per E-Mail geschlossen werden.“ oder „Formerfordernisse für Arbeitsverträge fallen weg“.
Derartiges ist sicher gut gemeint, inhaltlich aber völlig falsch. Ganz grundlegend sind hier drei voneinander getrennte Themen zu unterscheiden:

1. Formerfordernisse für den Abschluss eines Arbeitsvertrages:

Von Sonderfällen (bspw. Ausbildungsverträge) abgesehen gilt seit jeher, dass der Arbeitsvertrag völlig formfrei abgeschlossen werden kann. Natürlich empfiehlt es sich allein schon zu Dokumentationszwecken, den Arbeitsvertrag zumindest in Textform, besser noch in Schriftform festzuhalten und zu unterzeichnen. Nach rechtlichen Gesichtspunkten kommt ein Arbeitsvertrag aber allein durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien zustande, und in diesem Zusammenhang regelt das Gesetz kein Formerfordernis. Arbeitsverträge können also früher wie heute mündlich, „per Handschlag“ oder sogar durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden.

2. Pflichten aus dem Nachweisgesetz:

Das Nachweisgesetz verpflichtet den Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer (einseitig!) einen Nachweis über bestimmte wesentliche Vertragsbedingungen zu erteilen. Sofern bereits ein den Formvorgaben des Nachweisgesetzes entsprechender Arbeitsvertrag existiert, ist der Nachweis mittels des Vertragsinhalts erbracht, andernfalls ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, den Nachweis gesondert zu erbringen.
Das bedeutet insbesondere, dass das Nachweisgesetz nicht etwa Formerfordernisse für den Abschluss des Arbeitsvertrages selbst regelt. Das ist aktuell nicht der Fall und das war auch nie der Fall. Andersherum trifft es zu: Gerade weil für den Abschluss des Arbeitsvertrages keine Formerfordernisse bestehen und Arbeitsverträge dementsprechend zumindest theoretisch mündlich oder gar durch schlüssiges Verhalten entstehen können gibt das Nachweisgesetz dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, die wesentlichen Vertragsinhalte in einer bestimmten Form in einem Nachweisdokument festzuhalten.
Dementsprechend ergeben sich aus den nun bevorstehenden Änderungen des Nachweisgesetzes keinerlei Änderungen im Hinblick auf irgendwelche Formvorgaben zum Abschluss von Arbeitsverträgen als Solches.

3. Konkrete Formerfordernisse, insbesondere Befristungen und Beendigungen zum Renteneintritt

Nach wie vor regelt § 14 Abs. 4 TzBfG, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Und wenn das Arbeitsverhältnis zum Renteneintrittsalter des Arbeitnehmers enden soll, so bedarf auch diese Regelung der Schriftform (analog zu § 14 Abs. 4 TzBfG).

Diesbezüglich sind im Zuge des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes keinerlei Veränderung geplant und hier handelt es sich – auch wenn Feinheiten in der Literatur seit Jahren umstritten sind – um echte Schriftformerfordernisse (inwieweit hier eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126 a BGB ausreicht ist umstritten). In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass Arbeitgeber darauf bestehen sollten, jeden Arbeitsvertrag schriftlich abzuschließen, wenn dort eine Befristung oder eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Renteneintritt vorgesehen ist. Und Schriftform in diesem Sinne bedeutet, dass die jeweils formgemäß erstellten Willenserklärungen (also die unterzeichneten Vertragsfassungen) im Original der jeweils anderen Partei zugegangen sein müssen, bevor das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt wird.

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass viele der aktuellen Verlautbarungen letztlich in die Irre führen: Die geplanten Erleichterungen beim Nachweisgesetz sind erfreulich. Arbeitsverträge konnten immer schon formfrei geschlossen werden, dies ist keine Errungenschaft durch irgendwelchen Neuerungen beim Nachweisgesetz. Aber der kluge Arbeitgeber wird so oder so (bis zu künftigen Formerleichterungen bei § 14 Abs. 4 TzBfG in ferner Zukunft) darauf bestehen, dass Arbeitsverträge mit den hier beschriebenen Inhalten schriftlich ausgefertigt werden. Und diese Verträge wird der Arbeitgeber im Original aufbewahren und nicht nach Digitalisierung shreddern (lassen) – aber dies ist bereits ein neues Thema.