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Bindungs- und Stichtagsklauseln für einen Bonus – BAG bestätigt Grenzen

Boni und andere Sonderzahlungen sind in der Regel an einen bestimmten Bezugszeitraum gekoppelt, oft das Kalenderjahr. Wenn ein Arbeitnehmer während des Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, stellt sich die Frage, ob er Anspruch auf die volle oder anteilige Zahlung hat oder ob er überhaupt keinen Anspruch hat. Arbeitgeber möchten meist eine Regelung, die eine gewisse Bindungswirkung hat. Vor allem aber haben sie kein Interesse daran, Mitarbeitern, die bald ausscheiden, noch einen Bonus zu zahlen. Schon gar nicht, wenn der Grund für das Ausscheiden im Verhalten des Arbeitnehmers liegt.
Die rechtliche Zulässigkeit von solchen Beschränkungen (auch Bad Leaver Klauseln genannt) hängt vom Zweck der Sonderzahlung ab. Dabei unterscheidet man Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter und solche, die die bloße Betriebszugehörigkeit honorieren.

Entscheidung

In einer Entscheidung des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 15. November 2023 (Aktenzeichen: 10 AZR 288/22) ging es um eine Klausel in einer Betriebsvereinbarung. Diese Klausel sah vor, dass Arbeitnehmer, die aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung oder einer Eigenkündigung ausscheiden, keinen Anspruch auf die jährliche Bonuszahlung haben – weder in voller Höhe noch anteilig.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht sogenannte Stichtagsregelungen bei Zahlungen, die auch der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, kritisch. Im konkreten Fall war die Sonderzahlung zunächst nicht eindeutig als Vergütung für geleistete Arbeit erkennbar. Eine von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung, dass es sich bei einem Bonus in Höhe von 25 % oder mehr der Gesamtvergütung um Arbeitsentgelt handelt, war nicht einschlägig.
Einige andere Umstände sprachen aber dafür, dass es sich um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung handelte. Dazu gehörten die zeitanteilige Gewährung im Eintrittsjahr und die Kürzung für Zeiten ohne Entgeltfortzahlung.
Damit kam das BAG zu einem Entgeltcharakter des Bonus und bestätigte nun seine frühere Rechtsprechung, wonach eine Stichtagsregelung für solche Zahlungen unzulässig ist. Dies gelte auch für Regelungen in Betriebsvereinbarungen.
Der Arbeitgeber versuchte sich mit dem Argument des “freien Ermessens” zu rechtfertigen. Unter diesen Vorbehalt hatte der Arbeitsvertrag die Bonuszahlung gestellt. Das BAG ließ dieses Argument jedoch nicht gelten. Das “freie Ermessen” weiche vom gesetzlichen Leitbild ab und benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen. Das gesetzliche Leitbild des “billigen Ermessens” ermöglicht eine gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung. Beim “freien Ermessen” entfällt diese Kontrolle, weshalb eine entsprechende Klausel unwirksam ist.
Im Ergebnis bestätigt der 10. Senat die gefestigte Rechtsprechung, dass Sonderzahlungen, die auch Entgeltcharakter haben, nicht durch eine Stichtagsregelung beschränkt werden können.

Gestaltungshinweise

Wichtig bei der Gestaltung von Bonuszusagen ist also vor allem der Zweck der Leistung. Dieser kann sich entweder aus dem Wortlaut ergeben oder aber aus der Auslegung. Für Entgeltcharakter spricht insb. eine Koppelung der zusätzlichen Leistung an Arbeitsergebnisse (zB nach einer Zielvereinbarung), Zahlung nur bei Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während des Bezugszeitraums, Zahlung pro rata bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers im Bezugszeitraum, anteilige Zahlung an Arbeitnehmer in Teilzeit, Ausschluss des Anspruchs für Zeiten ohne Vergütungsanspruch, Bezeichnung als 13. Monatsgehalt.
Arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlungen „verdient“ sich der AN anteilig durch seine Arbeitsleistung. Bei ihnen ist mit der Vereinbarung eines bestimmten Termins ausschließlich die Fälligkeit der Zahlung herausgeschoben. In diesem Fall stellt es nach der Rechtsprechung eine unangemessen Benachteiligung dar, Arbeitnehmer auszuschließen, die wie alle anderen Beschäftigten im Bezugszeitraum gearbeitet haben.
Für eine Zahlung, die allein die Betriebstreue honoriert, spricht dagegen z.B. die Voraussetzung einer Mindestbetriebszugehörigkeit im Zahlungszeitpunkt, Anstieg der Sonderzahlung mit der Betriebszugehörigkeit, Anspruch auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch, Bezeichnung als Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld. Solche Zahlungen können grundsätzlich an einen Stichtag gebunden werden.
Aber Achtung! Bereits dann, wenn mit der Zahlung sowohl erbrachte Arbeitsleistungen als auch Betriebstreue honoriert werden (das BAG spricht von Zahlungen mit Mischcharakter) oder wenn Zweifel bleiben, wofür die Leistung erbracht wird, gelten dieselben Beschränkungen wie für Zahlungen mit Entgeltcharakter.
Man wird daher entscheiden müssen: Sonderzahlungen mit Stichtagsklausel sind und bleiben möglich, wenn damit ausschließlich die fortgesetzte Betriebstreue belohnt werden soll (auch als Treueprämie oder retention bonus bezeichnet). Eine solche Leistung ist dann aber auch verdient, wenn der Mitarbeiter betriebstreu ist, weitere Komponenten wie Arbeitsleistung und fortgesetzte Arbeitsfähigkeit können keine Berücksichtigung finden.
Will der Arbeitgeber eine Zusatzleistung für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung zahlen ist dies ebenfalls möglich, nur kann hier die Komponente Betriebstreue nicht wirksam eingebaut werden.
Vor der Konzeption derartiger Anreizprogramme ist daher auch weiterhin sorgfältig zu planen, welche Anreize für welches Verhalten gesetzt werden sollen, um dann auf dieser Basis unter Berücksichtigung der Rechtsprechung eine verlässliche Regelung zu gestalten.