In einem aktuellen Urteil (8 AZR 172/23) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) wichtige Leitlinien zur Reichweite des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) und zur Wirksamkeit nachvertraglicher Verschwiegenheitsklauseln formuliert. Diese Entscheidung betrifft unmittelbar den Umgang mit sensiblen Unternehmensinformationen und die Gestaltung von Arbeitsverträgen.
Sachverhalt der Entscheidung
Im Zentrum des Falls stand ein ehemaliger Mitarbeiter eines Unternehmens, das Verpackungsmaterial und Maschinen für die Lebensmittelindustrie herstellt. Der Mitarbeiter hatte während seines Arbeitsverhältnisses unter einem Pseudonym sensible technische Daten an ein potenzielles Konkurrenzunternehmen weitergegeben. Das klagende Unternehmen wollte diesen Verstoß mit einer Unterlassungsklage sanktionieren und berief sich auf arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsregelungen sowie das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Das Gericht lehnte die Klage ab, da die relevanten technischen Informationen nicht ausreichend durch „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ geschützt worden waren, wie es das GeschGehG vorschreibt. Zudem erklärte das BAG eine vertragliche Klausel, die den Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt zur Verschwiegenheit verpflichtet, als unwirksam.
Das Urteil im Überblick:
• Das BAG stellte klar, dass Unterlassungsansprüche auf Basis des GeschGehG auch bei Verstößen vor dessen Inkrafttreten (26. April 2019) geltend gemacht werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass sowohl nach damaligem als auch nach aktuellem Recht eine Rechtsverletzung vorliegt.
• Geschäftsgeheimnisse genießen nur dann rechtlichen Schutz, wenn der Arbeitgeber angemessene Maßnahmen zur Geheimhaltung ergreift (z.B. vertragliche Regelungen, IT-Sicherheitsmaßnahmen, Zugangskontrollen etc.).
• Pauschale und zeitlich unbegrenzte Verschwiegenheitsklauseln (sogenannte Catch-all-Klauseln) in Arbeitsverträgen wurden als unwirksam bewertet. Solche Klauseln benachteiligen Arbeitnehmer unangemessen und können nicht durchgesetzt werden.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
1. Vermeiden Sie pauschale Klauseln
Prüfen Sie Verschwiegenheitsklauseln in bestehenden Verträgen und Vertragsmustern. Stellen Sie sicher, dass nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarungen spezifisch und zeitlich begrenzt sind. Eine umfassende Verpflichtung zur Geheimhaltung ohne angemessene Begrenzung wird in der Regel als unangemessen angesehen. Unwirksame Klauseln schwächen Ihre Position in rechtlichen Auseinandersetzungen.
2. Implementieren Sie angemessene Schutzmaßnahmen
Um Geschäftsgeheimnisse zu schützen, sollten Sie technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen etablieren. Beispiele sind:
• Detaillierte Geheimhaltungsvereinbarungen mit klaren Definitionen.
• Zugangsbeschränkungen zu sensiblen Informationen.
• Schulungen für Mitarbeiter zum Umgang mit vertraulichen Daten.
3. Dokumentieren Sie Ihre Schutzmaßnahmen
Nur dokumentierte Maßnahmen können im Streitfall belegen, dass Sie Ihrer Verantwortung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen nachgekommen sind.
Fazit
Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer durchdachten Vertragsgestaltung und einer klaren Strategie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dazu gehören wirksame vertragliche Regelungen, einschließlich einer spezifischen Benennung der geheim zuhaltenden Informationen sowie tatsächliche Maßnahmen zum Schutz von Geheimnissen.