Das Verbot der Zuvor-Beschäftigung bei sachgrundlosen Befristungen (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) hat die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt. In einer Entscheidung vom 15.12.2021 (Az. 7 AZR 530/20) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsprechung nun weiter konkretisiert.
Der Fall
Der spätere Kläger war bei dem Arbeitgeber im Jahr 2004 für acht Wochen als Aushilfe, ab 2012 in mehreren Zeiträumen als Leiharbeitnehmer tätig. Im Frühjahr/Sommer 2017 suchte der Arbeitgeber ca. 40 Arbeitnehmer als befristete Aushilfen. Noch während eines Einsatzes als Leiharbeitnehmer bewarb sich der Kläger um einen Arbeitsplatz als Maschinenbediener. Im Bewerbungsprozess füllte der Arbeitnehmer einen Personalfragebogen aus und beantwortete die darin gestellte Frage, ob er bereits einmal in dem Unternehmen oder dessen Rechtsvorgänger beschäftigt gewesen sei, mit „Nein“. Die Frage, ob er schon einmal über ein Zeitarbeitsunternehmen bei dem Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei, bejahte er. Die Parteien schlossen daraufhin zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag und verlängerten diesen in der Folgezeit mehrfach, zuletzt bis Ende August 2019. Mit seiner Klage machte der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung geltend und vertrat die Auffassung, diese sei wegen eines zuvor mit dem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zulässig gewesen. Sowohl das ArbG Lübeck als auch das LAG Schleswig-Holstein wiesen die Klage ab.
Die Entscheidung des BAG
Auch vor dem BAG blieb der Kläger erfolglos. Die achtwöchige Vorbeschäftigung des Klägers im Jahr 2004 steht laut BAG der Zulässigkeit der in Frage stehenden sachgrundlosen Befristung im Jahr 2017 nicht entgegen.
Zwar ist nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes grundsätzlich unzulässig, wenn bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Vorbeschäftigungsverbot erfasse aber nicht ausnahmslos jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber. Liege eine Vorbeschäftigung sehr lange zurück, war gänzlich anders geartet oder von sehr kurzer Dauer, könne im Einzelfall eine neuerliche sachgrundlose Befristung zulässig sein. Nach diesem Maßstab sei die Befristung im zu entscheidenden Fall wirksam, da die achtwöchige Vorbeschäftigung im Jahr 2004 nicht nur von sehr kurzer Dauer gewesen sei, sondern darüber hinaus – zwar nicht „sehr lange“ – aber doch lange, nämlich 13 Jahre, zurückliege.
Die vorangegangene Beschäftigung des Klägers als Leiharbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers stehe der Zulässigkeit der Befristung ebenfalls nicht entgegen. Denn das in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG geregelte Verbot der sachgrundlosen Befristung sei auf eine Vorbeschäftigung bei demselben Vertragsarbeitgeber beschränkt.
Rechtliche Einordnung
Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG dürfen Arbeitsverhältnisse für die Dauer von maximal 2 Jahren ohne Sachgrund befristet werden, allerdings nur, wenn mit demselben Arbeitgeber nicht bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine zeitliche Grenze, ab der eine Vorbeschäftigung einer neuen sachgrundlosen Befristung nicht mehr entgegensteht, sieht das Gesetz nicht vor.
Über viele Jahre hinweg hat die Rechtsprechung daher jede noch so lang zurückliegende „Zuvor-Beschäftigung“ als befristungsschädlich angesehen.
Im Jahr 2011 hat das BAG dann aber – entgegen des eindeutigen Gesetzeswortlautes – entschieden, dass eine Zuvor-Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber einer neuerlichen sachgrundlosen Befristung nicht entgegensteht, wenn die Zuvor-Beschäftigung mehr als drei Jahre zurück liegt (BAG vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09).
Da sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte für die seitens des BAG aufgestellte Drei-Jahres-Grenze finden, hat es wenig überrascht, dass das BVerfG im Jahr 2018 (Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 u. 1 BvR 1375/14) entschieden hat, dass das BAG die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten hat. Seither findet die vom BAG aufgestellte Drei-Jahres-Regel keine Anwendung mehr. Auch nach der Auffassung des BVerfG müssen aber die Arbeitsgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist. Dies sei dann der Fall, wenn eine Beschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzen Dauer war, beispielsweise im Fall von geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- oder Studienzeit.
Seit der Entscheidung des BVerfG steht nun das BAG vor der Aufgabe, diese Vorgaben umzusetzen, also insbesondere die Kriterien „sehr lange zurückliegende Vorbeschäftigung“, „Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer“ und „ganz anders geartete Tätigkeit“ zu konkretisieren.
Dieser Aufgabe ist das BAG mittlerweile in diversen Urteilen nachgekommen: So hat es bereits entschieden, dass zwar eine 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurückliege, nicht dagegen eine fünfeinhalb oder eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung. Weiter kam es zu dem Ergebnis, dass das Kriterium „Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer“ bei früheren Arbeitsverhältnissen mit einer Laufzeit von eineinhalb Jahren oder neun Monaten nicht erfüllt sei. Eine „ganz anders geartete Tätigkeit“ liege laut BAG nicht vor bei einer früheren Tätigkeit als Produktionshelfer und einer neuerlichen Tätigkeit als Maschinenbediener, da diese Tätigkeit keine Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordere, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren.
Die nun ergangene Entscheidung konkretisiert die vom BVerfG vorgegebenen Kriterien weiter und macht deutlich, dass sich auch aus einem Zusammenspiel der Kriterien (hier: Vorbeschäftigung von sehr kurzer Dauer und lange zurückliegend) ergeben kann, dass das Verbot der sachgrundlosen Befristung im Einzelfall unzumutbar ist.
Empfehlungen für die Praxis
Trotz dieser Konkretisierung sollten Arbeitgeber weiterhin darauf achten, sachgrundlos befristete Arbeitsverträge nur mit Kandidaten abzuschließen, die noch nie zuvor bei ihnen in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt waren. Arbeitgeber dürfen sich in diesem Zusammenhang nicht auf Angaben des Kandidaten im Bewerbungsprozess verlassen, sondern sollten unbedingt selbst prüfen, ob der Bewerber schon einmal als Arbeitnehmer bei ihnen tätig war. Bestehen Zweifel, sollte vorsichtshalber von einer sachgrundlos befristeten Anstellung abgesehen werden.
Bestand zuvor schon einmal ein Arbeitsverhältnis, besteht das erhebliche Risiko, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet zustande kommt. Bemerkt der Arbeitgeber dies erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit für das Eingreifen des gesetzlichen Kündigungsschutzes, kann er sich nur noch nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes von dem betreffenden Mitarbeiter trennen. Sollte trotz eines in der Vergangenheit bestandenen Arbeitsverhältnisses – möglicherweise in Unkenntnis der Zuvor-Beschäftigung – ein Arbeitnehmer Jahre später sachgrundlos befristet eingestellt werden, bietet die Entscheidung des BAG aber u.U. nützliche Argumente für den Arbeitgeber, die er einer Entfristungsklage des Arbeitnehmers entgegenhalten kann.