Mit Urteil vom 28. Mai 2025 (Az. 18 SLa 959/24) hat das Landesarbeitsgericht Hamm einem Arbeitnehmer eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro zugesprochen. Hintergrund war eine über einen Zeitraum von 22 Monaten andauernde, nahezu lückenlose Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber datenschutzrechtliche Anforderungen ernst nehmen und Überwachungsmaßnahmen besonders sorgfältig rechtlich prüfen müssen.
Sachverhalt
Der Kläger war in einem Stahlverarbeitungsbetrieb auf einem weitläufigen Gelände beschäftigt. Dort waren zahlreiche Überwachungskameras installiert, die dauerhaft nicht nur Maschinenbereiche, sondern auch Wege, Pausenflächen und sogar die Zugänge zu sanitären Einrichtungen aufzeichneten. Die Aufnahmen erfolgten in hoher Auflösung, teilweise mit Zoomfunktion, und wurden dauerhaft gespeichert. Der Kläger hatte der Überwachung ausdrücklich widersprochen. Dennoch wurde sie fortgesetzt. Der Arbeitgeber berief sich auf Gründe wie Diebstahlprävention und betriebliche Sicherheit, konnte jedoch keine konkreten Vorfälle oder Bedrohungslagen benennen. Eine ausdrückliche, informierte Einwilligung des Klägers lag nicht vor; lediglich eine allgemeine Vertragsklausel zur Verarbeitung personenbezogener Daten wurde herangezogen.
Kernaussagen des Urteils
Das LAG Hamm wertete die durchgeführte Überwachung als schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Entscheidend war für das Gericht nicht nur der räumliche Umfang der Überwachung, sondern auch die Dauer der Maßnahme sowie deren technische Ausgestaltung. Die nahezu durchgehende Beobachtung habe zu einem erheblichen Überwachungsdruck geführt, der mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht vereinbar sei.
Eine wirksame Einwilligung in die Videoüberwachung verneinte das Gericht. Im Arbeitsverhältnis könne eine solche nur dann angenommen werden, wenn sie freiwillig, informiert und konkret erfolgt, was bei pauschalen Vertragsklauseln regelmäßig nicht gegeben sei. Auch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers konnte die Maßnahme nicht rechtfertigen. Es fehlte an einer konkreten Gefährdungsbeurteilung oder Risikoanalyse, die eine derart weitreichende Überwachung hätte stützen können. Zudem wären weniger eingriffsintensive Mittel ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen.
Die Höhe der Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro bestätigte das Gericht mit Blick auf die Intensität des Eingriffs sowie das erhebliche, schuldhafte Fehlverhalten des Arbeitgebers. Dieser habe nicht nur den wiederholten Widerspruch des Klägers ignoriert, sondern auch keinerlei datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Die Entscheidung des LAG Hamm macht deutlich, dass der Einsatz von Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig ist. Arbeitgeber sind gehalten, bereits vor Einführung entsprechender Maßnahmen eine sorgfältige datenschutzrechtliche Prüfung vorzunehmen und eine konkrete Interessenabwägung zu dokumentieren. Allgemeine Sicherheitsbedenken oder pauschale Verweise auf betriebliche Interessen reichen nicht aus, um tiefgreifende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte zu rechtfertigen.
Soweit eine Einwilligung der Beschäftigten eingeholt werden soll, muss diese freiwillig, spezifisch und transparent erfolgen. Pauschale Klauseln in Arbeitsverträgen genügen diesen Anforderungen nicht. Darüber hinaus ist stets zu prüfen, ob weniger eingriffsintensive Maßnahmen zur Zielerreichung zur Verfügung stehen.
Das Urteil unterstreicht: Wer Überwachungstechnik ohne rechtliche Absicherung einsetzt, riskiert nicht nur Reputationsschäden und Vertrauensverluste im Unternehmen, sondern auch empfindliche Entschädigungsforderungen.