Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Das BAG schafft Klarheit: Bei Kündigung in der Wartezeit ist kein Präventionsverfahren erforderlich.

Das Bundesarbeitsgericht hat eine zuletzt umstrittene Frage beantwortet: Müssen Arbeitgeber vor der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters in den ersten sechs Monaten ein Präventionsverfahren einleiten? Die Antwort lautet: Nein.

Was das Urteil für Ihre Praxis bedeutet, lesen Sie hier.

Der Fall:

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer war zum 1. Januar 2023 als Leiter der Haus- und Betriebstechnik eingestellt worden. Die Probezeit betrug sechs Monate. Dem Arbeitgeber war die Schwerbehinderteneigenschaft bei der Einstellung bekannt. Nach knapp drei Monaten kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, ohne zuvor ein Präventionsverfahren einzuleiten. Der Arbeitnehmer hielt die Kündigung unter anderem deshalb für unwirksam, da das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX gefehlt habe.

Zur Frage, ob das Präventionsverfahren in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses notwendig ist, wurden von den Gerichten zuletzt unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während das Thüringer Landesarbeitsgericht dies für nicht erforderlich hielt, vertrat das Landesarbeitsgericht Köln in einem ähnlichen Fall im September 2024 die gegenteilige Auffassung. Es hielt das Präventionsverfahren auch in der Wartezeit für erforderlich. Zur Begründung führte das LAG Köln den präventiven Charakter der Vorschrift und den besonderen Schutz schwerbehinderter Menschen an.

Die Entscheidung des BAG

Der Zweite Senat des BAG hat dieser weiten Auslegung nun eine klare Absage erteilt. § 167 Abs. 1 SGB IX finde nur Anwendung, wenn das Kündigungsschutzgesetz zeitlich und betrieblich gilt. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der davon spreche, dass ein Präventionsverfahren dann einzuleiten sei, wenn „personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis“ auftreten. Damit wird die Terminologie des Kündigungsschutzgesetzes verwendet. Dies zeigt, dass das Präventionsverfahren nur zu durchlaufen ist, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. In der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG – ebenso wie in Kleinbetrieben nach § 23 Abs. 1 KSchG – besteht daher keine Pflicht zur Durchführung des Präventionsverfahrens. Trotz mehrfacher Reformen hat der Gesetzgeber bewusst an der bisherigen Fassung festgehalten und damit die schon zu den Vorgängervorschriften bestehende BAG-Rechtsprechung bestätigt. Eine unionsrechtskonforme Auslegung, die zu einem anderen Ergebnis führt, ist nicht geboten.

Im vorliegenden Fall lag nach den Feststellungen des Gerichts keine Diskriminierung wegen Behinderung vor. Die Kündigung erfolgte allein wegen mangelnder fachlicher Eignung. Auch andere Fürsorge- oder Anpassungspflichten wurden nicht verletzt.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil bringt Rechtssicherheit für Arbeitgeber: In den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses müssen sie kein Präventionsverfahren einleiten, auch wenn der betroffene Arbeitnehmer schwerbehindert ist. Andere Schutzpflichten und Diskriminierungsverbote bleiben jedoch bestehen.

Fazit:

Das BAG-Urteil beendet die Rechtsunsicherheit und widerspricht der zuvor vom LAG Köln vertretenen Auffassung ausdrücklich. Auch wenn kein Präventionsverfahren nötig ist, kann eine Kündigung unwirksam sein, z.B. wenn sie auf unzulässigen Motiven beruht oder wenn die notwendige Beteiligung von Betriebsrat und/oder Schwerbehindertenvertretung falsch oder gar nicht erfolgt ist. Eine sorgfältige Prüfung und Vorbereitung bleibt daher weiterhin auch bei der Probezeitkündigung unerlässlich.