Laptop mit News Hologramm - Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Urlaub in Corona – arbeitsrechtliche Überlegungen zur Urlaubszeit

Nach dem Lockdown nun bei Vielen die große Erleichterung: Reisen ist wieder – zumindest in eingeschränktem Umfang – möglich. Der Sommerurlaub scheint in greifbarer Nähe. Das ist natürlich erfreulich, hält aber auch die ein oder andere Unsicherheit darüber bereit, wie mit Mitarbeitern umzugehen ist, die ihren Urlaub in Risikogebieten verbringen. Unter Risikogebieten sind solche Länder zu verstehen, in denen nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus besteht.

Besonders interessant ist die Frage des Entgeltanspruchs in den Fällen, in denen nach Urlaubsrückkehr die Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann. Verschiedene Problemfelder sind hier denkbar.

Der Mitarbeiter kann das Urlaubsland nicht verlassen

Eine verspätete Rückkehr aus einem Risikogebiet kann etwa dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer im Ausland wegen des Verdachts einer Infektion im Urlaubsland unter Quarantäne gestellt wird oder sich die Rückreise auf Grund von Reisebeschränkungen oder Flugausfällen verzögert. Sofern der Mitarbeiter nicht in der Lage ist, nach Urlaubsende seine Arbeitsleistung wieder pünktlich zu erbringen, trifft ihn grundsätzlich das sogenannte Wegerisiko. Ist ein Erscheinen am Arbeitsplatz unmöglich, sind sowohl Arbeitnehmer als auch  Arbeitgeber von ihrer Leistungspflicht befreit, was letztendlich bedeutet, dass auch die Entgeltzahlungspflicht entfällt. Bislang richterlich geklärt sind solche Konstellationen in Fällen von Naturkatastrophen oder behördlichen Fahrverboten, die die Fahrt zum Arbeitsplatz verhindern oder verzögern (BAG, Urteil v. 8.9.1982 – 5 AZR 283/80). Eine Übertragung auf die aktuelle Corona-Lage scheint jedoch nicht allzu weit hergeholt. Auch wenn dies noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, empfiehlt es sich, in solchen Fällen der Nichtarbeit vorsorglich die Entgeltzahlung zu stoppen.

Der Mitarbeiter befindet sich in häuslicher Quarantäne

Die einzelnen Bundesländer sehen derzeit Quarantäneregelungen für Personen vor, die von einer Reise in ein Risikogebiet zurückkehren. Gemäß der bayrischen Einreise-Quarantäneverordnung (Stand 25. Juni 2020: verlängert bis 3. August 2020) beispielsweise besteht die Pflicht, sich nach Rückkehr für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben. 

Um die Diskussionen über die Entgeltzahlungspflicht in solchen Fällen zu umgehen, sollte in jedem Fall geprüft werden, ob eine Erbringung der Arbeitsleistung im Home Office für die Zeit der Quarantäne in Frage kommt. Ist dies nicht möglich, dürfte ein Entgeltanspruch ausgeschlossen sein, wenn dem Mitarbeiter im Vorfeld bekannt war, dass seine Reise in ein Risikogebiet führt und er sich auf Grund dessen bei der Rückkehr in häusliche Quarantäne begeben muss. Auch ein vorübergehendes Fortbestehen des Entgeltanspruchs wegen persönlicher Verhinderung gem. § 616 Satz 1 BGB – sofern die Norm nicht bereits für das jeweilige Arbeitsverhältnis ausgeschlossen ist –  kommt dann nicht in Betracht, da der Mitarbeiter mit Wissen um eine drohende Einreise-Quarantäne bei der Rückkehr dennoch ins Risikogebiet gereist ist und somit ein anspruchsausschließendes Verschulden seinerseits anzunehmen ist.

Ob etwas anderes gilt, wenn das Urlaubsland erst nach Antritt der Reise zum Risikogebiet erklärt wurde, erscheint fraglich. Unserer Ansicht nach müsste auch in einem solchen Fall ein Verschulden des Arbeitnehmers anzunehmen sein, da aufgrund der sich derzeit immer wieder ändernden Entwicklungen der Infektionszahlen generell damit gerechnet werden muss, dass Reiseländer auch kurzfristig  zu Risikogebieten erklärt werden können.

Eine Entgeltzahlung für die Dauer der Quarantäne über § 616 BGB dürfte ferner bereits daran scheitern, dass es sich bei einer 14-tägigen Quarantäne unserer Auffassung nach nicht mehr um eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ der Verhinderung handelt.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob bei Wegfall des Entgeltanspruchs ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz in Betracht kommt. Unklar ist bislang, ob die Vorschrift nicht nur für im Einzelfall behördlich angeordnete Quarantäne gilt, sondern auch für solche generell einzuhaltenden sich an eine Reise in ein Risikogebiet anschließende Einreise-Quarantänen.

Zum anderen ist zweifelhaft, ob der Entschädigungsanspruch auch in solchen Fällen gilt, in denen  die Reise in das Risikogebiet zu privaten Zwecken und in Kenntnis einer drohenden Quarantänemaßnahme angetreten wurde. Zwar sieht § 56 Abs. 1 Satz 3 Infektionsschutzgesetz den Ausschluss des Anspruchs dann vor, wenn die Quarantäne durch Maßnahmen „spezifischer Prophylaxe“ hätte vermieden werden können. Darunter sind gem. § 2 Ziff. 10 Infektionsschutzgesetz Impfungen oder Medikamenteneinnahme zu verstehen. Das Nichtreisen als quarantäneverhindernde Maßnahme erwähnt das Gesetz hingegen nicht. Da aber auch dies noch nicht abschließend geklärt ist, halten wir es aus Arbeitgebersicht in Anbetracht der unsicheren Rechtslage jedenfalls nicht für ratsam, das auf die Zeit der Quarantäne entfallene Entgelt gem. § 56 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz vorzustrecken.

Der Mitarbeiter ist erkrankt

Ist ein Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz – das gilt grundsätzlich auch bei einer Erkrankung an Covid-19. Der Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt jedoch, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer verschuldet wurde. Infiziert sich der Mitarbeiter während einer Reise in ein Land tätigt, in dem ein behördlich festgestelltes erhöhtes Infektionsrisiko besteht, ließe sich zumindest behaupten, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe mit der Folge, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch ausgeschlossen wäre. Letztlich wird sich eine solche Position aber nur bei zusätzlich besonders risikoträchtigem Verhalten erfolgversprechend vertreten lassen, etwa bei nachgewiesener Teilnahme an sog. Corona-Partys.

Was ist zu tun?

Die derzeitigen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken für Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Reise in ein Risikogebiet sind nicht von der Hand zu weisen. Verbieten kann der Arbeitgeber die Reise nicht. Insofern ist es interessant, welche betrieblichen Maßnahmen im Vorfeld und nach der Reise angezeigt sind.

Sinnvoll ist es in jedem Fall, im Unternehmen über Quarantäne- und Entgeltrisiken im Zusammenhang mit Fernreisen zu informieren. Insbesondere sollte hierbei auf aktuell bestehende Risikogebiete und Reisewarnungen hingewiesen und die oben genannten entgeltbezogenen Konsequenzen bei Erkrankungen, Quarantänemaßnahmen bzw. verspäteter Rückkehr erwähnt werden. Auch kann darüber nachgedacht werden, bereits im Vorfeld Home Office Regelungen für die ersten Wochen nach Rückkehr aus dem Urlaub zu treffen.

Hat der Arbeitgeber Kenntnis von einer Reise in ein Risikogebiet, sollte er frühzeitig klären, ob eine sofortige Rückkehr des Arbeitnehmers nach Urlaubsende an den Arbeitsplatz möglich ist. Dem Arbeitgeber kann in diesem Zusammenhang ein berechtigtes Interesse zugestanden werden, im Vorfeld abzufragen, ob seine Mitarbeiter eine Reise in ein Risikogebiet vornehmen werden – schließlich hat er seinerseits im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gegebenenfalls Vorkehrungen zum Schutz der übrigen Arbeitnehmer zu treffen. Auch die Frage nach dem Urlaubsland bei Rückkehr in den Betrieb ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt. Die Erhebung der entsprechenden personenbezogenen Mitarbeiterdaten wird von den Datenschutzbehörden derzeit als zulässig betrachtet.

Um einen Mitarbeiter früher aus der Einreise-Quarantäne zurück an den Arbeitsplatz kehren zu lassen, wäre grds. die Durchführung eines Corona-Tests denkbar. Fällt dieser negativ aus, können die Quarantänemaßnahmen aufgehoben werden (vgl. § 2 Einreise-Quarantäne-Verordnung). Einer „Anordnung“ eines solchen Tests durch den Arbeitgeber dürfte jedoch bereits das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers entgegenstehen. Ob dies medizinisch überhaupt vertretbar oder wünschenswert ist, steht vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Inkubationszeiten und Aussagekraft einer einzelnen Testung auf einem anderen Blatt.

Zumindest in Bayern übernehmen seit dem 1. Juli 2020 die Krankenkassen auch dann die Kosten für einen Corona-Test, wenn keine entsprechenden Symptome vorliegen sollten.

Im Übrigen sollen sich alle Reiserückkehrer neuerdings kostenlos testen lassen dürfen.